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Titel: K Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T McCarthy
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besonders. Sie mögen Wein?«
    »Er sieht gut aus«, antwortet Serge.
    »Ich hol für Sie«, sagt der Mann, dreht sich um und geht wieder ins Kraftwerk. Einige Augenblicke später kehrt er mit einer Flasche zurück.
    »Hier: present für guten Engländer!«, sagt er und steckt den starken, holzdunklen Arm durch den Maschendraht. »Elektrowein. Nehmen Sie!«
    Die Flasche ist aus demselben trüben Glas wie alles Glas in dieser Gegend und ihr Inhalt so dunkel, dass Serge erst glaubt, der Mann habe ihm Erde abgefüllt, doch sobald er die Flasche entgegennimmt, merkt er, dass ihr Inhalt flüssig ist. Er hält sie, dreht sie, der Wein rinnt am Glas entlang, und die seidigen, dunkelroten Tropffäden fangen das Licht auf, bis sie zu glühen scheinen.

    »Ist das Wein?«, fragt er den Mann. »Von diesen Reben?«
    » Da – ja – wie sagt man? Yes ! Kystenwein, machen wir hier, nur ein paar Flaschen, nur für uns. Elektrowein für gute Elektroleute!«
    Er lacht, ein tiefes, herzliches Lachen und verschwindet wieder im Werk. Serge will mit dem Wein an den Feldrand gehen, ihn dort trinken und dabei den Soldaten zusehen, doch fällt ihm ein, dass er ja keinen Korkenzieher hat. Als er ins Hotel zurückgeht, schiebt er sich die Flasche unters Hemd, damit Clair sie nicht sieht.
    In seinem Zimmer wartet ein Brief auf ihn. Er ist von seinem Vater.
    Mein lieber Sohn,
    liest er,
    ich hoffe, das Wasser ist nach Deinem Geschmack. Wie Du bestimmt weißt (vielleicht auch nicht, so wie Du Dich in splendid isolation badest), strömen die pontischen Meere der Politik in drängendem Lauf den propontischen Gewässern wie auch dem Hellespont entgegen. Sollte nicht alsbald der Ebbe Rückzug beginnen, fürchte ich, dass wir Deinen Aufenthalt bei den Nixen kürzen und Dich nach Hause holen müssen, da Vernichtung Deine Rückkehr ansonsten verhindern könnte. Erwarte meine Instruktionen.
    Doch zu einem anderen Thema: Nach Lenards Art habe ich letzthin ausgiebig mit Schattenkreuzröhren experimentiert und spüre – mit großer Aufregung und durchaus auch ein wenig Bangigkeit –, dass ich kurz davorstehe, ein Patent zur Annahme im so weitläufigen wie gestrengen Amte unserer – seiner – Majestät Regierung einzureichen. Ohne allzu sehr ins Detail gehen zu wollen und mir dessen durchaus bewusst, dass man in Zeiten wie diesen der Intimität eigener Kommunikation
keineswegs gewiss sein darf – eine Tatsache, deretwegen ich mitnichten mehr für die dunkle, kryptographische Kunst übrig habe, welcher sich Dein Pate letzthin corps et biens ausgeliefert hat, wie man so sagt. Wie? Ach ja, bei dem, was ich im Sinne habe, geht es nicht allein um die Projektion von Bildern auf eine Leinwand mittels elektrischer Kraft – eine Aufgabe, die der Kinematograph schließlich zur Zufriedenheit erfüllt –, sondern um Transmissionen über weite Entfernungen mittels Draht oder auch ohne, so wie ja der Ton gegenwärtig bereits drahtlos übermittelt wird. Es gibt keinen Grund, warum dies nicht machbar sein sollte. Tatsächlich wurden bereits erste Erfolge beim Übertragen statischer Bilder per Funk gemeldet – unter allen Leuten wirst gerade Du mit dieser Tatsache ja vertraut sein –, doch strebt mein Ehrgeiz weit höhere Ziele an: die Weiterleitung sich bewegender Bilder über große Entfernungen, sodass das Leben in seiner ganzen, vibrierenden Unmittelbarkeit ohne Verzug übertragen werden kann. Ja, Du hast richtig gelesen: Was ich erfinde, ist nichts weniger als ein ferngesteuertes Sofort-Kinematoskop!
    Du fragst Dich, warum ich Dir das erzähle? Weil ich daran denke, filius meus oder vielmehr fili mi (ich hoffe, mein lieber Junge, dieser Clair lässt Dein Latein so wenig rosten wie er irgendeinen anderen Zweig am Baum des Wissens verkümmern lässt, den Du gewiss hinaufstrebst wie das Eichhörnchen in der norwegischen – nein, der finnischen – heißt es Kalevalla oder Kavelavela – egal), jedenfalls denke ich daran zu inkorporieren, sobald mein Patent angenommen wurde, sprich: eine Handelsgesellschaft zu gründen. Wie findest Du den Namen Karrefax Kathode? Präziser gefragt, was würdest Du davon halten, wenn Du zwar nicht gleich Partner, so doch wenigstens – und, falls nötig, bis zu Deinem einundzwanzigsten Lebensjahr auch durch einen Bevollmächtigen
– Signatar besagter Handelsgesellschaft würdest? Ich habe sogar bereits die Frage eines die rasche Identifikation erleichternden, visuellen Motivs bedacht, eines Logos, wenn Du so willst, und finde,

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