Kabbala-Box (2 Romane in einem Band)
findet es sehr schön. „Warum vermietest du plötzlich das Zimmer? Du wohnst doch schon länger hier, stimmt’s?“
Erwischt. Denke ich mir.
„Tja, das ist so: Ich möchte mich wieder mehr auf meine Freizeit konzentrieren und vielleicht mein Studium endlich fertig machen, da muss ich eben mehr sparen und deshalb die Entsche idung, mir keine kleinere Wohnung zu suchen, sondern jemanden in meine Wohnung zu holen. Groß genug ist sie ja.“
Ingo nickt und sagt: „Wenn du möchtest, ich würde gerne dein Wohnungskollege werden.“
Oh, Ingo, ich würde dich auch gerne hart nehmen. „Oh, aber sicher, ich würde mich freuen, wenn du ja zu unserer ganz persönlichen WG sagst.“
Jetzt sieht Ingo ein bisschen skeptisch drein, reicht mir aber sofort die Hand. Natürlich schlage ich ein und Ingo sagt: „Du bist schwul, oder?“
Ich nicke. „Habe aber keinen Freund, bin allein – nur mit Hund – und suche noch nach dem Richtigen. Das Leben geht vor.“
„Ach, erzähl mir doch nichts. Passt schon wie du’s machst.“
Ich atme tief durch und frage: „Wann ziehst du ein?“
„Ja, eigentlich dachte ich noch an heute, wenn es dir recht ist?“
Ich nicke. Normalweise tut mir es Mopsi gleich. Der aber ist wieder näher an Mopsinchen herangerückt.
Ich schenke den Kaffee ein und wir nehmen auf dem Balkon Platz. Es ist mild, aber es geht, um draußen ein wenig zu flanieren. Ingo und ich unterhalten uns über dies und das. Hauptsäc hlich darüber, wo wir herkommen, die angebrochenen Studien, etc. Er ist kein gebürtiger Grazer, erst 22 Jahre (mein Gott ist der jung) und ich – ein paar Jahre älter – kann ihm sicherlich einiges mehr vom Leben erzählen. Er hat vorher ebenso in einer WG gewohnt, die er aber wegen zu vieler Streitigkeiten aufgegeben hat und weswegen er jetzt auf Wohnungssuche gewesen ist. Ingo, groß und dunkelhaarig, glattes Gesicht, kleine Grübchen, hat gute Manieren und eine ruhige Haltung.
Fünfzehn, zwanzig Minuten lang reden wir prächtig miteinander, das Kennenlernen hat schon etwas sehr Prickelndes. Es tat gut andere Ansichten, in unmittelbarer Nähe mitgeteilt zu beko mmen, und wie Ingo sein bisheriges Leben gestaltet hat, ist beachtlich. Neben seiner anfänglichen Karriere in Wien, wo er Veterinärmedizin studiert hatte und eigentlich nur in einem Zoo als Pfleger arbeiten wollte, aber keine Stelle bekam, lernte er abartige Wildschweinkrankheiten kennen und gigantische Riesenspinnen. Ich erzählte ihm vom Arzt und Ingo kam auf Jesus zu sprechen, den hat noch keiner in meiner Gegenwart erwähnt. Wenn Ingo von ihm spricht, hört es sich an, als würde er eine neue Wunderdiät anpreisen. In Verbindung mit seinem jungen Körper ist es beinahe irritierend.
Es wird herrlich sein, ihn in Unterhosen zu betrachten.
Ich erzähle ihm, dass ich ein paar erfolglose Versuche gestartet habe, endlich die Beziehung meines Leben zu finden, diese Erlebnisse in Geschichten gerade verarbeite und hoffe, dass ein Verlag das Geschreibsel veröffentlicht. Mein Ziel ist es, viele Schwule aufzuwecken, ihnen zu zeigen, dass es in dieser Welt möglich sei, eine Beziehung zu führen ohne Fluchtgedanken zu bekommen. Mann muss seinen Partner nicht betrügen, warum auch? Wenn es schon soweit ist, dass ich ihn betrüge und mich neu verlieben kann, dann muss ich die Beziehung beenden. Sonst – und ich bin das beste Beispiel – verursacht man Probleme und man reißt Unschuldige mit in die Tiefe. Das Beziehungs-ADHS-Problem kann gelöst werden.
Ingo ist davon ganz begeistert und erzählt mir, dass er ebenso einen schwulen Freund hat, der seine Partner die meiste Zeit betrogen hat. Und er hat sich immer gefragt, warum die das wortlos hinnehmen. Nachdem er ihn gefragt hat, wie das geht, hat er als Antwort zu hören bekommen, dass sich alle immer in ihn verlieben würden, aber er sich in niemanden. (Eigentlich auch traurig, aber das hab ich Ingo nicht gesagt, er mag seinen schwulen besten Freund sehr.)
„Bist du verliebt?“, frage ich.
Ingo trinkt einen großen Schluck aus der Tasse und sagt, dass er sehr verliebt gewesen wäre, aber seine Freundin hätte ihn verlassen.
„Meine Fresse, das kenne ich.“
„Ja? Ich kann dir nur sagen, dass es mich fast zerrissen hat. Seitdem kann ich mich noch nicht wieder binden, da mein Herz noch immer für sie schlägt. Aber ich bin so ehrlich zu den Mädels und sage das. Manchmal haben sie Verständnis und manchmal eben
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