Kabbala-Box (2 Romane in einem Band)
im Haus? Ich kann nur hoffen, dass noch eine Nachbarin kommt und erzählt, sie habe gehört, dass ich schwul sei. Zwar werden wir dann wieder neue Kaffeebecher brauchen, aber das Geld ist es mir wert!“
Jetzt lachte ich auch. Memo an mich: Mitlachen vergrault niemanden. Mit Bestimmtheit konnte ich nicht wirklich herausfinden, ob ich an dieser profanen – fast ländlichen – Geschwätz erei-Attacke der Nachbarn Schuld war. Aber wenn der Arzt fürs erste lächelte, hatte ich auf jeden Fall etwas Zeit mit ihm gewonnen.
Doch ganz so einfach war diese Sache nicht abgetan. Die Arzt-Ehefrau wurde mir immer mehr zum Rätsel: Ihre laute, aufdringliche Art zu Reden in meiner Gegenwart, das übertriebene Z ustimmen der Nonsens-Äußerungen ihres Ehemannes, das Überhören von Wörtern und ganzen Sätzen wenn ich sprach und (!) wenn sie Einladungen aussendete, dann war ihr schwuler Ehemann immer als ihr Göttergatte angeführt. Über Rand- und Zierleisten konnte sie sich unterhalten, wie ein Chirurg über eine Nierentransplantation. Über Frauen mit Haaren auf der Oberlippe schrieb sie ihre Doktorarbeit. Sie war eine Frau mit dezidierten Ansichten (ich erwähne hier nochmals die Rand- oder Zierleisten), die wechsel- und sprunghaft war und so ganz ungeniert Teile eines zusammenhängenden Weltbildes nicht verstand („Ja, Christiane, der linke und rechte Teil des Pazifische Ozeans auf der Weltkarte ist ein und der selbe.“) Dies ließ mich oft die Frage aufwerfen, ob ihre wahren Probleme nicht doch eher medizinischer Natur entsprangen und sie eben eine solche Hilfe in Anspruch nehmen sollte.
Nein.
Ich ging die ganze Sache völlig falsch an. Ich war mit ihrem schwulen Ehemann zusammen, das konnte für Probleme sorgen. (No na.) Denn, obwohl der schwule Ehemann schon seit mehr als fünfunddreißig Jahren schwul war und schwul in dieser Ehe lebte, hatte sie nach all diesen Jahren noch immer nicht gelernt loszulassen . Louise Hay spricht durch meinen Geist.
*
Als ich aufhorche, sehe ich, dass es draußen ziemlich hell geworden ist. Es ist ein Montag, an dem ich beschließe, wieder etwas gegen mein scheiß Leben zu tun. In meinen Gedanken erstellte ich Pro und Contra Listen, um meinem Leben einen Sinn zu geben.
Gut, es war nicht immer so gelaufen, wie man sich das eigentlich so wünscht, aber mein A rbeitslosengeld sollte heute (mal wieder) auf mein Konto kommen und mich ein wenig – nur ein bisschen – ins Plus retten.
Mopsi würde zu mir sagen, dass ich drogenabhängig bin, vorausgesetzt er könnte sprechen. Ach, was denke ich denn da? Soll ich mich selbst einweisen lassen? Ne … warum auch?
Ich schreibe meinem besten Freund, dem Samuel, dass es mir leid tue, wie ich durch mein Verhalten meine Mitmenschen runterziehe und manchmal auch verärgere.
Ingo bekommt einen Zettel auf seine Zimmertür gepickt, dass ich mit seinem und me inem Hund eine Runde gehe. Studenten brauchen viel Schlaf.
Dann lege ich Mopsinchen das Geschirr an und schlendere mit beiden Hunden raus. Ich mache meinen Rundgang und hole mir gleich auf der Raiffeisenbank in der Nähe meine Kontoauszüge, die Hunde blicken ganz verdattert. „Aber Mopsi, das haben wir ja schon öfters gemacht und du, Mopsinchen, musst das auch kennenlernen.“
Ihre Blicke sind sehr apart, sie hat überhaupt nichts Lebenslustiges an sich, wie der typische Mops sie hat. Dann kommt der Schock. Bei allem, was ich ausgegeben hatte und was an Einnahmen vorliegt, komme ich gerade mal auf + 11,00 Euro. „Scheiße“, ist das Einzige, was mir dazu einfällt. „Scheiße“, zische ich durch die Bank und die Tränen drückt es schon nach draußen. Aber ich halte sie zurück. Es ist noch nicht Zeit zum Heulen.
Hilft nichts. Da muss ich durch. Es ist Sommer, ich kann arbeiten. „Du hast ein wenig zuviel gelebt“, sage ich zu mir und atme stoßweise aus und hoffe, dass mich der Blitz dabei trifft. Nix da, der liebe Herrgott, die liebe Herrgöttin oder das Universum möchten mich noch ein wenig auf der Erde wissen.
Die Hunde kacken ein wenig und Mopsinchen ist wirklich eine Dame höchsten Ranges: Sie geht ins Gebüsch. Während Mopsi sein Geschäft dort erledigt, wo es am schnellsten geht und wo ihn jeder beobachten kann. Mopsi ist so stolz auf seine Hundehaufen, Mopsinchen eher angewidert davon.
„Jetzt schau nicht so verzweifelt. Kacken ist gesund. Manche Menschen würden gerne 12-mal am Tag scheißen gehen, damit sie dann schlank
Weitere Kostenlose Bücher