Kabbala-Box (2 Romane in einem Band)
diese Clematis wegschneiden soll, gafft über das ganze Geländer hinüber und sagt: „Guten Morgen, ihr zwei!“
Ingo grinst und sagt ebenso „Guten Morgen“ zu ihr. Ach, wie die Alte nervt. Jetzt hat man nicht mal am eigenen Balkon seine Ruhe. Obendrein möchte ich mit Ingo alleine sein. Wenn wir schon kein Paar werden, dann kann ich doch wohl auf meine Privatsphäre bestehen. Ich hebe meine Hand und sag: „Gumo.“
Frau Unrat, die sich fast ihre Rippen brechen muss, um uns beide auf dem Balkon erblicken zu kö nnen, grinst hinter dem wuchernden Clematisstrauch hervor und winkt ganz aufgeregt. Sie streckt sich, um uns ganz genau ins Visier nehmen zu können. Verdammt. Sie ist ein zäher Kämpfer, wie Rocky Balboa, der sich durch 5 Filme gekämpft hat. Erst jetzt erkenne ich ihre schlechten Zähne. Ein Schneidezahn tanzt in virtuoser Weise aus dem weißen Ballett und spielt Schwarzer Schwan. Nein, Klaus, du schlägst jetzt nicht mit einem gezielten Schlag die obere Zahnreihe der Christenhexe gerade. Sie verschwindet hinter ihrem Clematis-Urwald und ward nicht mehr gesehen – für den Rest des Tages. Aber meine weiche Birne grübelt schon wieder: Vor der hast du keine Ruhe. Und ich erinnere mich an meine vorherige Nachbarin … *ugr* schrecklich.
Ingo nimmt sein Mopsinchen – oder Johanna wie er sie getauft hat – und geht mit ihr in sein Zimmer. Er sagt, dass sie, während er auf Vorlesungen ist, immer alleine in seinem Zimmer ist. Ebenso antrainiert ist auch das Klogehen, welches Mopsinchen in einem Kis tchen tätigt.
Mein Mopsi starrt bei diesen Erziehungsmethoden und ich starre ihn auch an und sage: „Das w äre doch mal was Mopsi, dann könnte ich glatt meine Freizeit genießen.“ Der kleine Racker springt verzweifelt umher und glaubt wahrscheinlich tatsächlich, jetzt von mir darauf trainiert zu werden, in ein Kistchen zu scheißen.
„Keine Sorge, Mopsi-Spatzi“, sage ich beschwichtigend, und streichle ihm über seinen Rücken. „Ich gehe ja eh gerne Gassi mit dir, wenn nur diese Darmprobleme nicht wären“, und ich stopfe ihm eine Tablette, die mir langsam auch schon wieder ausgehen, in sein Maul und sage: „Das muss runter.“ Der Mops kaut angestrengt und angewidert, aber er gibt sein Bestes, mich nicht zu en ttäuschen. „Wir sind doch ein Team, Mr. Lord!“ Der Mops kaut und vor Schreck lässt er mal wieder seine Düfte in die freie Natur. „Brav“, sage ich zu ihm, wie zu einem kleinen Kind, das gerade Bäuerchen gemacht hat.
Auf meinem Handy ist eine Nachricht, Claudia, sie fragt, ob ich nicht heute zu dem Haltet-Graz-sauber-Treffen kommen möchte. Ich sage zu und frage zurück, ob ich Mopsi mitnehmen könne. Sie antwortet mir sofort, und ich frage mich, wie das geht. Und ob sie auf meine Antwort gewartet hat.
Claudia schreibt mir, dass Mopsi willkommen sei. Sie sagt mir Ort und Zeitpunkt und ich sause mit meinem Mops in Richtung Innenstadt. Mit Mopsi an meiner Seite schlendere ich die Max-Mell-Allee entlang, die eine Seitengasse von der Heinrichstraße ist und direkt zum Universität ssportzentrum führt. Früher trainierte ich öfters im Universitätssportzentrum (kurz Usi). Durch das Laufen und Tennisspielen hatte ich schnell neue Sportfreunde gefunden, die dasselbe wie ich im Kopf hatten: Sport meets Ficken. Mein Gott, was sollen junge, schwule Männer sonst tun? Lernen? Sich für Prüfungen vorbereiten? Ein Mittel gegen AIDS finden? Arbeiten? Denkste!
Auf jeden Fall gehe ich mit meinem Mops die Max-Mell-Allee entlang, lass die Szenen verga ngener Erinnerungen und finde mich auf einmal vor einem alten Haus wieder, das offenbar das Clubhaus der Eso-veganen-bio-öko-sauber-Patrouille ist. Mopsi und ich sind leicht außer Atem. Memo an mich: In den nächsten Tagen Sport betreiben.
Ich klopfe an und ein freundliches Mädchen mit roten Haaren macht mir die Tür auf. Sie führt mich und Mopsi hinein und ruft recht laut, dass weitere Gäste angekommen seien. Das Innenl eben des Häuschens wirkt hell und freundlich, das Mobiliar typisch grazerisch: Orientteppiche, Holznischen in Fichte, eine große Essecke, karge sonnengelbe Möbel, vergilbte Poster von Maria Theresia und Che Guevara. Ich staune über das Häuschen und frage das rothaarige Ding sogleich, wem das Clubhaus gehöre. Sie zeigt auf Verena. Ich gehe zur Erbin des Hauses und gebe ein ganz ungeniertes „Boah“ von mir. Mein Genick knackst in allen vier Himmelrichtungen, während ich die Bude
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