Kabbala-Box (2 Romane in einem Band)
auf, genervt und vollkommen verärgert, reiße an seiner Zimmertür und ein verschlafener Ingo blickt mir entgegen.
Schock auf beiden Seiten.
Er sieht verschlafen aus, gerade so, als wäre er aus dem Koma erwacht.
„Waren wir gestern zu laut?“, fragt Ingo und hält seine linke Hand an seine linke Schläfe.
Ich schüttle unmissverständlich lange den Kopf, gehe zur Tür, mache auf und zwei Polizisten sehen mich grimmig und missmutig an.
„Kann ich Ihnen helfen?“, frage ich und eigentlich denke ich mir: Wixer, Vollidioten, ihr gehört alle ins Gefängnis . Aber nichts davon sage ich. Ich versuche zu lächeln.
Mit schroffer Stimme sagt der Beamte: „Wohnt hier ein Ingolf Altholt?“
„Ja, das ist mein Mitbewohner, er ist vor kurzem hier eingezogen.“
Die Tür wird von den Polizisten sperrangelweit geöffnet. Einer von den beiden hat einen Schnauzer, sieht gen die 50 aus und sein Partner, vielleicht etwas jünger, hat eine Glatze, das sind die Merkmale die mir ins Auge stechen. Die Beamten treten ein. Mit wenigen Handgriffen übe rwältigen sie Ingo. Starr sehe ich ihnen zu, sehe Ingo an, dem ich helfen will, aber ich bin wie erstarrt vor Angst. Sie nehmen Ingolf mit und lesen ihm seine Rechte vor. Ingo weint. Er ist geständig. Die Vorfälle der letzten Nacht waren eindeutig, nicht zweideutig. Im Alkoholrausch hatte er jemanden getötet.
„Mein Ingo ein Mörder?“, sage ich laut und die Beamten verziehen ihre Mienen, weil ich sie in ihren wortkargen Erläuterungen gestört hatte.
Ingo ruft: „Es tut mir leid!“
Alles geht so schnell, dass ich kaum mitdenken kann.
Fangen wir nochmals von vorne an: Draußen ist es hell und ich zwicke mich in den Arm, um zu sehen, ob ich überhaupt wach bin. Okay, ich bin wach. Die Situation wirkt so, als würde sie einer meiner luziden Träumereien entspringen, der Unterschied ist nur der, dass ich in meinen Träumereien – wenn es dort brenzlig wird – einfach davonfliege, mit diesem Trick à la Superman kann ich leider nicht aufwarten.
Ingolf werden Handschellen angelegt.
„Muss das sein? Es tut mir ja so leid“, sagt Ingolf und ich trete näher zu den beiden Beamten.
„Auszeit!“ Ich komme mir wie ein Staatsanwalt vor, der seinem Mandanten zu Hilfe eilen will. „Was wird ihm vorgeworfen?“, frage ich völlig sachlich im richterlichen Ton und bin erstaunt wie solide ich in dieser Situation sprechen kann. Leider gehen mir jetzt schon meine Anwaltsanekd oten aus.
Ingolf bricht erneut in Tr änen aus.
„Ingolf Altholt, sie werden beschuldigt und das mit eidesstattlicher Zeugenaussage, dass Sie in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch den Ihnen bekannten Studienkollegen Mario Fundbringer in einer Ra uferei getötet haben.“
„Ist er wirklich tot?“, fragt Ingolf.
In der Zwischenzeit beginnt einer der Beamten sein Zimmer zu durchsuchen. Die Vorwürfe sind sehr schwer, das Verfahren wird dauern. Ich frage, ob er etwas Bestimmtes suche, doch er gibt mir keine Antwort.
„Ingo, wie konntest du das tun, und einfach schlafen gehen – dir noch einen Rausch a nsaufen?“ Ich mache mich als Verteidiger wirklich schlecht. Aber selbst ich habe meinen Stolz, wenn es um Tötung geht.
„Ich wusste es doch nicht“, schreit Ingo und weint bitterlich, „dass der wirklich tot ist. Sind sie sicher?“
Die Beamten nicken.
Die Morgenstunden sind schrecklich laut in meinem Kopf, ich zittere. Polizisten in meiner Wohnung. Hilfe, Hilfe, Feuer, Feuer. Sie fragen mich, ob ich dabei gewesen bin, um eine event uelle Zeugenaussage machen zu können, die den Zeugen, Ingolf Altholt, entlasten könnte. Die Beweislage sei jedoch erdrückend.
„Nein, es tut mir leid, ich weiß wirklich nichts. Ich war nicht mal dort.“
Ingolf weint, er tut mir leid. So einen Scheiß durchzumachen und das in so jungen Jahren, ist nicht leicht zu verdauen, und hat Auswirkungen auf das gesamte, restliche Leben. – Wenn es ein restliches Leben gibt.
Ich frage, was mit dem Zimmer und seinen Sachen passieren wird und Ingolf schreibt mir die Nummer seiner Mutter auf, die die Sachen abholen kommen werde . B omboyage . Wir sind fertig. An meiner Mimik ließe sich das Leiden Christi ablesen, sollte Jesus nach zweitausendjähriger Abstinenz von der Erde hier her zurückkehren. Die beiden Polizisten zeigen sich kooperativ in Sachen humaner Behandlung und gehen langsam mit Ingolf hinaus. Mir bleibt nichts außer den
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