Kabbala-Box (2 Romane in einem Band)
genau diese Erkenntnis: Keine Wahl gehabt zu haben, wo man hineingeboren wird – bis man dem Erdenfluch wieder entkommt – und so etwas wie Freiheit, Himmel, Freude etc. wieder spürt, dauert wahrscheinlich ein Leben lang oder tritt niemals ein.
„Wenn ich das Wort zu Hause nur ausspreche, kommen mir schon die Tränen.“
Und ich höre ganz weit entfernt ein Lied erklingen, gehe hierfür auf den Balkon. Ein wenig kommen die Sonnenstrahlen schon hervor. Es ist mild, aber es wird wärmer. Ich ziehe mir meinen Sweater über und dicke Socken an. Leise ertönt die Melodie Any day now von Bif Naked (Youtube-Video http://www.youtube.com/watch?v=sUacKvDPYb0): anyday, now … it’s gonna start – my real life / and anyday, now: everything is gonna be all right … / anyday, now: life’s gonna get real good / and somehow: life’ll be like I said it would.
Es ist lange her den Text gehört zu haben. Ich war wahrscheinlich noch sehr jung, <20 Jahre, du meine Fresse, die Zeit vergeht. Ich hole mir eine Zigarette und Bif singt weiter … anyday, now – mark my word! / anyday, now – I will be heard! / anyday, now – my ship will finally come in … / anyday, now: I’m gonna jump right in.
Der Geschmack der Zigarette. Ich denke, viele Menschen haben ihn schon erprobt und werden ihn weiter erproben, und Firmen werden versuchen einen noch ursprünglicheren Geschmack aus allen synthetischen Mitteln gewinnen zu können. Egal wie man ihn macht, er wird sich verfälschen, auf die eine oder andere Art. And anyday, now: my destiny will begin / and until then i’ll just be here / wasting my time … / but, don’t you worry, / i’ll be just fine: / anyday, now – mark my word! /anyday, now – i will be heard! / anyday, now – my ship will finally come in …
Irgendwie hat Bif Naked schon recht, irgendwann wird das Schiff wohl sicher heimkehren, tja, wenn man den richtigen Pfad beschritten hat, eventuell dann. In dem Augenblick glaube ich den richtigen Pfad schon beschritten – zumindest erkannt – zu haben, da es aber Rache, böse Geister und die allgemeine Vendetta gibt, wird es noch ein wenig dauern, bis diese bösen Geister meinen Pfad verlassen und ich mich alleine weiter auf den Weg machen kann. Ich hoffe, ich halte durch. Gut war ich wirklich nicht, schlecht war ich sehr wohl. Und wie sollte ich mich entschuldigen? Vielleicht dadurch ein guter Mensch zu werden? Ich hoffe, das ist richtig so.
Das Bild, das ich sehe: Bäume, die wie eine gezogene Linie durch die Wohnblockhäuser wac hsen; Häuser, in denen Menschen auch nach außen hin versuchen ihr Dasein zu untermauern, indem sie auf ihren Balkonen bestimmte Lieblingspflanzen hinstellen oder ihre Fenster bemalen oder ihre Türen mit Schmuck verzieren.
Mein Handy bimmelt, es ist Claudia, dir mir erzählt, dass sie und ihre Freundin Verena vom Land geförderte Arbeitsplätze bewilligt bekommen haben, um Leute einzuste llen. Es ist amtlich: Das Land stellt den Grünen Kidz Arbeitsplätze zu Verfügung und gönnerhafte Summen für ihr Projekt. (Der erste Schritt zur Weltherrschaft ist getan. Ich sehe schon Claudia, wie sie ihre Freundin Verena fragt: „Und was machen wir morgen Abend?“ Und Verena antwortet: „Das was wir jeden Abend machen! Wir versuchen die Weltherrschaft an uns zu reißen.“)
Das Einstellen betont Claudia so, als würde sie mit einem Kind sprechen. Und ich betone mein Aha so, als würde ein Kind antworten. Sie erzählt weiter, dass die Anstellung fast Vollzeit wäre: 30 – 40 Stunden. Angemeldet bei der Stadt Graz, für die Projekte zur Reinhaltung der Grazer City.
Verena hatte ein Video, das die Grünen Kidz beim Saubermachen filmte, ins Internet gestellt und die Follower waren nach nur einer Woche gigantisch. Mit Witz und Ironie zeigten sie die Vermüllung und Menschen-Verdreckung einer einzelnen Stadt (Gassen, Plätze, Hänge) auf und dass eine besondere Gruppe von Jugendlichen das nicht mehr hinnehmen wollte. Angeregt durch das Video und die enorme Resonanz wurde die Haltet-Graz-Sauber-Stiftung ins Leben gerufen. „Im Green-Witch-Haus ist heute die Besprechung“, sagt Claudia fröhlich und fügt hinzu, dass sie mich für den Job vorgeschlagen hätte, da ich doch arbeitslos sei und Hilfe bitter nötig hätte. „Wenn du den Job willst, musst du heute kommen“, sagt sie mit Nachdruck und ich erkläre mich mit einem lauten Jauchzen einverstanden. Sie schnauft und ich jauchze. So marginal sind die
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