Kabbala-Box (2 Romane in einem Band)
denken. Also wieder eine Geschichte vom Arzt und mir.
Es war auf einem Grazer Schwule n- und Lesbenfest, auch Rosy genannt, das jedes Jahr einige Male gefeiert wird. Der Arzt war unweigerlich der älteste Mann auf der ganzen Veranstaltung und er sagte ständig wiederholend – wie im Kirchenchor: „So viele junge Buben.“ Ich hatte schon ein wenig intus und unterhielt mich mit zwei meiner Freundinnen, Nadja und Maria, der Arzt traute sich kaum, mit ihnen zu sprechen. Schüchternheit mochte ja cool wirken, egal in welchem Alter, nur seine Gründe waren die, dass er a) Fußvolk nicht mochte (beide hatten einen akademischen Grad, das wusste er nicht, bzw. beide Mädchen hatten ihre Magistertitel nicht auf ihr Hirn tätowiert) und b) hatte er schon wieder Angst, dass seine ach so göttliche Karriere durch eines dieser Mädchen (!) in Verruf geraten könnte. Paranoia hoch drei.
( Ich laufe, ich laufe, ich laufe. – Der Mops hält Schritt.)
Ich sah ihn an, er sah gut aus. Er hatte weiße Schuhe an und einen weißen Gürtel, sein leichter Bauch kam jetzt besser zur Geltung, der Rest war schwarz: schwarzes Hemd und schwarze Hose. Ich begann zu reden, dass ich ihn liebte, er sagte, ich solle den Abend nicht zerstören.
Der Arzt erklärte mir in diesem Augenblick, dass er mich liebte, sogar sehr, aber er könne keine Beziehung mit mir führen. Verliebte hören die Ablehnung wahrscheinlich nicht sofort. Verliebte glauben, sie müssten sich jetzt noch mehr ins Zeug legen. Wir wurden plötzlich von einem 17-jährigen Typen unterbrochen, sein Name Daniel K., ein Typ der Grazer-Peripherie-Szene, er fragte: „Herr Doktor, darf ich ihnen schnell e inen blasen, so wie immer?“
Der Arzt wurde etwas rot, sagte aber sofort ja und ging mit dem schwulen Kid schnell auf die To ilette. Ich wartete davor. Der Arzt brauchte lange bis er kam, das brauchte er immer. Als beide die Toilette verließen, ging der kleine Schwule ziemlich schief aus der Toilette heraus und der Arzt trottete mit einem beruhigten Gesichtsausdruck wieder zu mir zurück.
„War das notwendig?“, fragte ich ihn, und der Arzt sagte, dass er nicht wisse, wie lange er noch junge Buben poppen könnte. Ich schüttelte den Kopf und fragte ihn, ob denn meine Gefühle ke inen Wert hätten. „Zerstör den Abend nicht“, war seine Antwort. (– Tja wenn das so ist!)
Ich. War. Eifersüchtig. In. Diesem. Augenblick.
A ber jetzt laufe ich, und versuche nicht zurückzublicken. Halt! Da ist ein Auto, ich springe zur Seite, der Mops springt auch und bellt dem Auto nach. Beinahe wäre etwas Schreckliches passiert. Die Luft wird kälter, so kommt es mir vor. In wenigen Wochen werden wir Winterluft haben. Ich laufe weiter. Ich wische mir eine Träne aus dem Auge.
„Nicht zurücks ehen“, sage ich zu mir, „nicht aufgeben“, möchte ich lauter sagen, aber meine Stimmbänder versagen. Ich laufe so weit ich kann und der Morgen graut. Es fällt mir ein Witz ein, den der Arzt mir erzählt hatte.
Ein verliebtes Pärchen blickt aus dem Fenster und sie sagt: „Sieh mal, Schatz, der Morgen graut.“ Darauf ihr Mann: „Das heißt nicht der Morgen, sondern dem Morgen.“
Es fällt mir schwer den Arzt zu vergessen. Die Liebe zu ihm ist intensiv. Und ich wollte, ich hätte dem Arzt beweisen können, dass ich fähig bin, ihn bis an sein Lebensende zu lieben. Jetzt stehe ich wieder vor seinem Haus. Der Mops röchelt so laut, dass man meinen könnte, er würde die Nachbarschaft aufwecken. Vor mir die viel zu hohen Hecken und ich erkenne den Vorbau, unter dem die Autos stehen und plötzlich kommt aus dem Dickicht eine Katze hervor, sie miaut mich an. Ich streichle ihr über ihren süßen Kopf und sage ganz leise, während ich mich hinknie: „Ich hab dich lieb, Oskar!“ Der Mops, der neben mir steht, schnüffelt Oskar an und ich bin verwundert, dass sich beide vertragen . Mopsi wird wahrscheinlich zu erschöpft sein, Oskar hinterher zu jagen und Oskar würde sich zu wehren wissen, würde sich Mopsi nicht benehmen können.
Oskar miaut wieder, hat sich – glaube ich – aber kurz auf seine Zunge gebissen, er schnalzt d amit. Ich beginne zu weinen und kuschle mit der Katze und dem Mops, die mich beide mit großen Augen anstarren. Oskar schnurrt und der Mops röchelt. Beide Tiere genießen die Streicheleinheiten. Ich halte das Wollknäuel fest in meinem Arm und schmiege mein Gesicht an ihn, an sein weiches. Der Mops liegt zu meinen Knien hin und hechelt
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