Kabbala-Box (2 Romane in einem Band)
unentwegt. Und ich glaube, er will mir damit sagen, dass alles besser wird. Auf einmal richtet sich Oskar auf, seine wuscheligen Pfoten liegen auf meinem Unterarm, jetzt giert er nach einem Insekt, das ganz aufgeregt surrt. Ich streichle über seinen ganzen Körper und fast kann er sich nicht entscheiden, was er lieber täte: sich streicheln lassen oder das Insekt fangen. Oskar entscheidet sich für das Fangen des Tieres. Wir blicken beide das Insekt an, das uns umkreist und da sehe ich am Himmel einen hellen Stern, er ist der hellste, auch der einzige Stern, den ich am Himmelszelt erhasche. Mitten im leichten Dunst, der über uns schwebt, uns einhüllt, wie eine Decke umgibt, erinnere ich mich an einen Song Northern Star von Melanie C. Sie sang darin I have learnt my lesson well / The truth is out there I can tell / Don’t look back and don’t give in to their lies and goodbyes. Und obwohl sie mit der Symbolik des Sterns am Himmel jemand ganz Besonderen meint, erkenne ich in den wenigen Textzeilen viel Wahrheit für mich selbst. Aber Melanie C. singt auch Fulfil the longing in your heart / Then we will never be apart / And if they dare to question you / Just tell them that our love is true. Und ich könnte schwören, dass ich die Möglichkeit einer Katharsis in mir aufkeimen verspüre. They buy your dreams so they can sell your soul / Is it any wonder we’ve lost control? / Feelings come, feelings go.
Und ich fühle mich kurz so wie jene, die dem Stern folgten, der ihnen eine Richtung wies. They tried to catch a falling star / Thinking that she had gone too far / She did but kept it hi dden well / Until she cracked and then she fell. Wenig weiß ich noch vom Unterricht, aber die Idee, dass vor hunderten, tausenden Jahren drei Leute einem Stern gefolgt waren, der ihnen Mut und Kraft gab, und dieser Stern zu einem besonders überirdischen Menschen führte, gibt mir Hoffnung. Hoffnung, dies könnte wieder passieren und If all the history is true / She’s gonna end up just like you / You made it to the other side / But tell me who will be my guide. Es ist eine hart zu gehende Richtung, aber ich versuche sie. Es ist eine Richtung, nämlich meine Richtung. I have learnt my lesson well / The truth is out there I can tell / Don’t look back and don’t succumb to their lies and goodbyes / Live your life without regret / Don’t be someone who they forget / When you’re lost reach out for me / And you’ll see she’s not far / Northern Star. Vielleicht sollte ich musizieren, für mein Seelenheil. Oskar hat das surrende Tier mit seiner rechten Pfote gefangen. Vergnüglich kaut er auf seinem Fang herum. Genau so sollte man es machen, denke ich mir sogleich. Ich lasse Oskar wieder los, er geht zu meinen Füßen und tänzelt um den Mops herum. Ich streichle noch einmal seinen ganzen Körper vom Kopf über seinen Rücken bis zum buschigen Schwanz. Dann laufe ich wieder los, der Mops röchelt wie verrückt und läuft ebenso. Ich weine plötzlich. „Loslassen“, sage ich und weine stärker. Ich lasse die schlechten Erinnerungen los. Ich packe sie in eine Schachtel und verbrenne sie.
Kurz vor meiner Wohnung fällt der Mops um. Ich stehe neben dem Tier, kein Röcheln mehr. „Mopsi?“, sage ich und denke mir, dass wenn er jetzt stirbt, ich auf ewig den Sex mit der Lederjacke vergessen kann. „Ich laufe nie mehr soviel mit dir, steh auf!“, sage ich, aber der Mops rührt sich nicht. „Nein!“, schreie ich mitten auf dem Gehsteig. Aber dieses Nein gilt weniger dem vor mir liegenden Hund, sondern eher der Wiederbelegung, die ich an ihm machen werde. Ich drücke meine Handfläche ein wenig auf den Brustkorb des Hundes und dann puste ich Luft in seine kleinen Lungen! „Nein“, schreie ich wieder und ein Passant auf dem Rad bleibt stehen. Ich glaube er sieht mir nur zu – geschockt! Ich bin selbst geschockt. „Nein“, trötet es wieder aus mir heraus und ich hole tief Luft und puste sie wieder in die kleinen Lungen des Mopses und anschließend mache ich wiederbelebende Massagen am kleinen Herzen des Tieres und auf einmal röchelt das Vieh, der Mops stellt sich auf alle Viere und bellt, hustet stark und bellt dann wieder. Ich hebe ihn hoch und der Radfahrer klatscht Beifall.
Ich drehe mich zu ihm um und winke ihm zu, bis ich in meinem Wohnblock verschwinde und vor Schock in die Hose pisse. „Scheiße!“, ist das einzige Wort, das ich noch sagen kann. Der Mops geht vergnüglich zu seiner Schüssel mit Wasser und
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