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Kabbala-Box (2 Romane in einem Band)

Kabbala-Box (2 Romane in einem Band)

Titel: Kabbala-Box (2 Romane in einem Band) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Regner
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ekelhaften Münder; zwei waren es und sie wollten etwas ausprobieren, ich als Opfer hätte nur stillhalten müssen, aber daraus wurde nichts. Weiter weiß ich nicht mehr, die Substanzen, die ich heute – den ganzen Tag über – eingeworfen habe, kommen und gehen in Schüben, und ich spüre das Ende und den Anfang oder einfach nichts, dies erfordert Geduld! Weniger als nichts zu empfinden ist ein Gefühlspunkt, der unter null ist. Also weniger als etwas, weniger als wenig, weniger als nichts.
    Anna erzählt mir von ihrer letzten Lehrveranstaltung und ihrer neuen Arbeit. Ich an tworte ihr wie gut es mir geht und wie froh ich bin, sie hier auf der Party gefunden zu haben; dabei denke ich an die Vorfälle der letzten Woche, an die Polizei, an meine Aussage und an die Prüfung, die gestern mit mir stattgefunden hätte, wenn ich hingegangen wäre. Annas Bruder Raimund ist auch hier, ihn mag ich sehr, er kommt auch vom anderen Ufer, ist aber viel zu brav für mich. Er kommt her, ich umarme ihn, finde die Umarmung schön, ziere mich, er ziert sich, wir gehen beide tanzen, lassen Anna stehen, die aber mitkommt und weiterhin gut gelaunt ist. Bernd sieht uns zu, nickt, wacht über seine Freundin. Er ist 100% Gentleman. Wir bewegen uns zu einer komischen Musik, die allmählich besser wird. Ich spüre den Alkohol, spreche undeutlich und stocke während des Sprechaktes (beinahe unter Null). Ich bewege mich gut, sehe gut aus – zumindest wird mir das gesagt. Ich bin nicht der Meinung und trinke und schlucke mich schön und das sooft ich kann, sooft mein Körper es zulässt; ich mache weiter!
      Anna geht zu Armin, einem guten Freund von uns beiden. Armin erinnert mich an das, was ich immer hätte werden wollen: von Geburt an schlank und schön, immer bereit für das L eben. Er nimmt sich die Freizeit, die er braucht, er nimmt sich die Gedanken, die er benötigt. Er ist immer dort, wo Spaß regiert.
      Anna redet gern mit Armin, sie hat Photos von ihm in ihrer Wohnung aufgehängt, die eigen tlich Bernd gehörten, aber nun ziehen sie in ein gemeinsames Domizil, sind glücklicher als zuvor; ich beneide sie. Ich sehne mich nach ihnen, nach ihrem Leben. Sie hat Armin wohl lieber als mich, weil er schöner ist als ich. Alles im Leben dreht sich um Schönheit, um schön zu sein, um aufzufallen, um jedem zu gefallen.
      Ich reibe mir meine Nase und sehe Marianne auf mich z ukommen, die merkt, dass es mir nicht gut geht. Sie erklärt mir – in langen Sätzen, die an Schopenhauers Frage nach einer Wahrnehmung unabhängig zur Außenwelt erinnert, sie habe da etwas, was mich vielleicht aufheitern würde. Ich folge ihr.
      In ihrem Zimmer, wo wir fast alleine sind – es liegen nur zwei Menschen am Boden (B ea und Fred), die vollgedröhnt miteinander zu schlafen versuchen. Und immer deutlicher versucht sie mir Schopenhauer zu erklären, da sie, vom Subjekt als einzige Möglichkeit die Umwelt zu erfahren, spricht. Marianne zieht eine Spritze hervor, ich rate ihr davon ab, sie sagt nein, ich sage ja, sie verneint und beginnt zu weinen. Ich setze mich zu ihr auf den Boden, die Bretter knarren, sie erzählt mir in endlos langen Sätzen, dass ihr Jugendfreund sie missbraucht habe und sie ohne Stoff nicht mehr leben könne. Ich verstehe sie in diesem Augenblick, ich hatte ihren Jugendfreund einmal gesehen, mit ihm würde ich auch nicht schlafen wollen. Wir ziehen uns zurück, knutschen etwas, ich finde ihre Geschichte plötzlich zu dick aufgetragen und richte ihr die Nadel. Ihr Vater ist Anwalt, ihre Mutter Lehrerin, sie hat das Geld für solches Zeug, wenn ich Geld haben will, muss ich arbeiten gehen.
      Nachdem Marianne zu weinen aufgehört hat, weiß ich, dass ich mit meiner Freundschaftsa rbeit fertig bin. Wir sehen uns an, ich sage ihr wie wunderschön sie doch sei, sie bedankt sich bei mir und wir sehen das Pärchen, das statt miteinander zu schlafen, eingeschlafen ist. Marianne schließt ebenso die Augen; ich lege mich kurz zu ihr, fühle ihr frisch gewaschenes Haar, sehe, dass sich Schweißperlen auf ihrer Stirn bilden und drehe mich angeekelt von ihr weg. „Raus“, kommt mir über die Lippen und ich gehe aus dem Raum. Vorher betrachte ich mich im Spiegel. Ich hätte mich sehen sollen, aber was ich sah, war der Geist eines Menschen ohne Seele, ohne Augenblick und Zukunft. Im Hintergrund die Musik von David Bowie.
     
    Etwas Zeit muss vergangen sein, ich weiß es nicht, ich habe keine Uhr, mich stören Uhren auf meinem Handgelenk.

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