Kabelsalat: Wie ich einem kaputten Kabel folgte und das Innere des Internets entdeckte (German Edition)
profiliert – als »Internetworker« sozusagen, während das Internet sonst eher Leute anzog, die ihre Zeit lieber mit Maschinen verbrachten als mit Menschen. »Wenn man damals Ahnung von der Internettechnologie hatte, musste man praktisch seltsam sein«, erklärte Adelson. Und das war er – jedenfalls ein wenig. Von Kindesbeinen an hatte er wie besessen mit Computern gespielt, sich in den Internetforen der Hacker herumgetrieben und an der Uni ganze Nächte im PC -Raum verbracht. Aber er hatte auch an der Boston University Film studiert und sich das selbstsichere Auftreten eines kungelnden, wortgewandten Hollywoodproduzenten zugelegt. Sein besonderes Talent war es, Menschen zu vernetzen – ebenso wie Computer.
Die Welt des »Internetworkings« ist heute noch erstaunlich klein, doch damals war sie winzig, und so fiel Adelson einem Techniker namens Brian Reid von der Digital Equipment Corporation auf, einem der ältesten und altehrwürdigsten Computerunternehmen im Silicon Valley (heute Teil des Giganten Hewlett-Packard – der ebenfalls in Palo Alto gegründet wurde und bis heute seinen Firmensitz dort hat). Digital hatte fast von Anfang an einen Knoten im ARPANET , doch erst ab 1991 beherbergte das Unternehmen eine bahnbrechende Verbindung zwischen zwei Netzwerken – in Gestalt eines Kabels, das quer durch den Serverraum zwei der größten regionalen Netzwerke der Ära vor MAE -East verband: Alternet und BARR net. Ursprünglich war das als Dienst an der Allgemeinheit gedacht – »zum Wohle des Internets«, wie die Techniker gern sagen. Doch als das Internet wuchs, nahm Digital einen angenehmen Nebeneffekt wahr: Dieser Link verschaffte den Netzwerktechnikern an einer ganz entscheidenden Schnittstelle des Internets einen Platz in der ersten Reihe. Sie waren wie Verkehrsexperten, die von ihren Büros aus den Times Square überblicken konnten. Und da draußen ging es immer chaotischer zu.
Bei Digital reagierte man besonders sensibel auf Ausfälle des MAE -East; schließlich hatte man den Gigaswitch/ FDDI -Router entwickelt und produziert, das Herzstück des Internetknotens, der mit den Anforderungen immer weniger Schritt halten konnte. Wenn das Internet weiter wachsen sollte, musste man einen neuen Weg finden, wie Netzwerke sich miteinander verbinden konnten, ohne dass es ständig Staus gab. Reids ebenso einfache wie geniale Idee, Netzwerke direkt miteinander zu verbinden und buchstäblich den einen Router beim anderen einzustöpseln, anstatt alle an ein einziges Gerät anzuschließen wie beim MAE -East und den anderen Netzwerkzugangspunkten, brachte die Lösung in greifbare Nähe.
Doch ein weiteres Problem blieb: Die meisten Netzwerke hatten bereits so viel Equipment in diese Gebäude verfrachtet, dass sie aus allen Nähten platzten. Man brauchte ein besseres Umfeld, eine geeignetere Immobilie als einen Betonbunker in einer Parkgarage; einen Ort, der ausreichend Platz bot, dass die Netze sich untereinander verbinden konnten. Außerdem schwebte Reid ein anderes Abrechnungsmodell vor. Anstatt Verbindungen »nach Tarif« abzurechnen, also den anfallenden Traffic in Rechnung zu stellen, würde Digital Miete verlangen. Und zwar sowohl für die Quadratmeterfläche des »Käfigs«, in dem die Kunden ihr Equipment unterbrachten, als auch für das kleine, feine Stückchen Luft, das ein Kabel auf dem Weg zum Käfig eines anderen Unternehmens durchquerte. In MAE -East hätte dies den wirtschaftlichen Selbstmord bedeutet, so als würde ein Restaurant plötzlich anfangen, Essen zu verschenken. Doch Digital war überzeugt, dass man ein Geschäft machen konnte, indem man den Tisch berechnete. Es war das Risiko wert, zumal wenn es gelänge, so das Wachstum des Internets anzukurbeln – und damit auch den Verkauf von Digitals Produkten.
Digital investierte ein paar Millionen Dollar firmeneigener Geldmittel und ein paar leer stehende Büroräume, das Untergeschoss der Bryant Street Nr. 529, das in den zwanziger Jahren als Telefonvermittlungsstelle eingerichtet worden war. Der neue Knotenpunkt sollte »anbieterneutral« sein: Digital würde nicht in Konkurrenz zu seinen Kunden treten, wie das bei den Netzwerkzugangspunkten der Fall war. Und er sollte in einem Rechenzentrum erster Güte entstehen, das eigens für Computer- und Internettechnik konzipiert war. Reid taufte ihn PAIX (»Palo Alto Internet Exchange«). Jetzt brauchte er nur noch jemanden, der das Ganze leitete – jemanden, der sich mit Netzwerken auskannte. Jemanden
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