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Kabelsalat: Wie ich einem kaputten Kabel folgte und das Innere des Internets entdeckte (German Edition)

Kabelsalat: Wie ich einem kaputten Kabel folgte und das Innere des Internets entdeckte (German Edition)

Titel: Kabelsalat: Wie ich einem kaputten Kabel folgte und das Innere des Internets entdeckte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Blum
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mit einer Vision.
    Für Adelson war Digitals Stellenangebot eine komische Sache. »Ich weiß noch, wie ich dachte: ›Digital?!‹«, erinnert er sich. »Alle meine Freunde gingen zu frisch gegründeten Dotcom-Unternehmen, mit der Aussicht auf Millionengewinne als Fünfzig-Prozent-Teilhaber, und ich wurde von einer dreißig Jahre alten Firma angeheuert! Aber ich war nun mal ein Internetfreak, und unter uns Freaks hatte Digital einen besonderen Status.« Und außerdem kam es dann sowieso ganz anders.
    Von außen machte das Gebäude in der Bryant Street Nr. 529 einen tadellos gepflegten Eindruck, und seine Fassade konnte ohne weiteres mit den berühmten Sandsteingebäuden auf dem Campus von Stanford mithalten. Kunstvoll gravierte Flachreliefs zierten den Eingang, als wäre es eine Londoner Bank aus längst vergangener Zeit. In großen Messinglettern stand » PAIX « neben der Tür geschrieben. Wir betraten die kleine Empfangshalle, die aufgrund der getönten Scheiben von der Straße aus nicht einsehbar war. »Oh. Mein. Gott.«, sagte Adelson, nachdem sich seine Augen an die relative Dunkelheit gewöhnt hatten. »Das hier ist echt cool.« Vor ihm prangte ein großes schwarz-rotes »E« – das Firmenlogo von Equinix. Adelson hatte das Gebäude seit jenem düsteren Tag im Jahre 1998 nicht mehr betreten, an dem die per Handschlag besiegelte Abmachung, hier den ersten Standort des aufstrebenden Unternehmens Equinix einzurichten, Makulatur geworden und das Gebäude hinter seinem Rücken für 75 Millionen Dollar verkauft worden war. Doch zwölf Jahre später, nur wenige Wochen vor unserer Stippvisite, sollte Equinix – ohne Adelson – doch noch den PAIX bekommen, als Sahnehäubchen auf dem Aufkauf eines Hauptkonkurrenten, Switch and Data, für 683 Millionen Dollar in Vermögenswerten und Aktien. Für Adelson war das Equinix-Logo an der Wand das Symbol für die späte Wiedergutmachung eines früheren Unrechts – und die Bestätigung dafür, dass seine Vision vom Internet die richtige war.
    Wir wurden von zwei Technikern begrüßt, die beide schon seit jenen Anfangszeiten hier im Gebäude arbeiteten. Nach der Internetzeitrechnung waren ganze Zeitalter vergangen, doch Umarmungen und Schulterklopfen gaben der Zeitspanne etwas beruhigend Menschliches. Die Babys von damals waren immer noch nicht ganz erwachsen. »Beinahe hätte ich gefragt, was du in den letzten zehn Jahren so getrieben hast, aber das weiß ich natürlich«, sagte Felix Reyes, einer der Techniker, zu Adelson. »Schön, dich zu sehen! Hier hat sich einiges verändert, viel Firmenpolitik, viel Wachstum. Aber wir sind immer noch im Geschäft!« Das war leicht untertrieben. Das Gebäude war mittlerweile in der Hand des vierten Besitzers, und das Internet hatte sich von Grund auf gewandelt – und mit ihm die ganze Welt.
    »In Internetjahren gerechnet ist es ganz schön lange her«, bestätigte Adelson.
    Reyes trug ein funkelnagelneues Equinix-Polohemd, schwarz mit dem leuchtend roten Logo, und Adelson zupfte daran. »Wieso hab ich nicht auch so ein Firmenhemdchen?«, beschwerte er sich. »Ich hab immer nur so T-Shirts für Techniker gekriegt.«
    »Wir besorgen dir eins«, versprach Reyes. »Wir haben noch ein paar von allen Hemden, die’s über die Jahre gab.«
    »Dieses Gebäude hat so oft den Besitzer gewechselt und sich immer wieder verändert, aber im Grunde wurde hier all die Jahre immer ein und dieselbe Dienstleistung angeboten«, meinte Troyer.
    Wir stiegen hinter den Tresen der Security eine Treppe hinab in das Untergeschoss, wo Anfang 1997 die ersten Rechner installiert worden waren. Innerhalb eines Jahres mauserte sich der Palo Alto Internet Exchange zum weltweit wichtigsten Gebäude seiner Art. Auch wenn er diesen Superlativ inzwischen nicht mehr für sich beanspruchen kann, steht er auf der exklusiven Liste der wichtigsten Orte des Internets doch immer noch ganz oben, als zentraler Knotenpunkt, an dem sich Netzwerke miteinander verbinden. Entsprach das Gebäude in Milwaukee auf Internetebene vielleicht einem kleinen Regionalflugplatz, von dem aus ein oder zwei Fluggesellschaften eine Handvoll größerer regionaler Drehkreuze anflogen, so war der Palo Alto Internet Exchange mindestens der San Francisco International Airport, wenn nicht größer – eben ein »bedeutendes globales Internet-Drehkreuz«, um Rich Miller zu zitieren, einen Kenner und Beobachter der Branche. 24 Das Gebäude um uns herum machte die geballte Menge dieser Verbindungen offenbar.

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