Kabelsalat: Wie ich einem kaputten Kabel folgte und das Innere des Internets entdeckte (German Edition)
Es stellte den Raum für die Befriedigung eines grundlegenden wirtschaftlichen und technischen Bedürfnisses zur Verfügung, denn es ist wesentlich billiger und einfacher, zwei Netzwerke direkt miteinander zu verbinden, als sich dabei auf ein drittes Netzwerk zu verlassen. Der PA IX ist ein Drehkreuz, ein praktischer, zentraler Ort, um Kabel von einem Router zum nächsten zu verlegen. Und vor allem ist er ein beliebter Ort für die Einwahlknoten der Unterseekabel, die Asien und Nordamerika miteinander verbinden. Es ist ein Ort, an dem die Bedeutung des Wortes »verbinden« greifbar wird.
Von einem bescheidenen Foyer am Fuß der Treppe aus konnte ich dicht aneinandergereihte Käfige sehen, die bis weit nach hinten ins Halbdunkel reichten, wie die Regalreihen einer Bibliothek. Jeder einzelne war nur wenige Quadratmeter groß und von einem einzigen Netzwerk angemietet, um hier Equipment zu installieren und Verbindungen zu anderen Netzwerken herzustellen – und zwar ganz konkret über ein Kabel. Anfangs zogen die Firmen, denen die Glasfaserfernleitungen gehörten, in das Gebäude, um näher an den lokalen und regionalen Internetprovidern dran zu sein, die Haushalte und Firmen ans Internet anbinden. Das waren die Besitzer der physischen Netzwerke. Doch schon bald folgten die Anbieter von Internetdiensten – das sind heute Facebook oder YouTube, damals waren es Yahoo!, eine Firma für elektronische Grußkarten sowie eine Pornoseite –, denn auch sie wollten ihre Anbindung an die Internetprovider verbessern. »Ich sehe noch vor mir, wie Filo und Yang von Yahoo! hier hereinspaziert kamen und ich nur dachte: Wer sind denn die beiden Clowns?«, erinnert sich Adelson an die heute milliardenschweren Gründer von Yahoo!. Doch als das Internet allmählich aus den Kinderschuhen herauswuchs, kamen sie alle, von so ziemlich überall her, insgesamt über einhundert verschiedene Netzwerke. Heute findet man im PAIX die großen Anbieter von Internetdiensten wie Microsoft, Facebook und Google, Internetprovider wie Cox, AT & T , Verizon und Time Warner, und natürlich die großen und kleinen internationalen Telekommunikationsunternehmen, vor allem aus dem pazifischen Raum, von Singapore Communications über Swisscom, Telecom New Zealand und Qatar Telecom bis hin zu Bell Canada, die teils über die Transpazifikkabel hereinkommen, teils über die großen Backbones quer durch die USA . Wie eine pulsierende Metropole florierte der PAIX dank seiner Vielfalt.
Als wir den von Käfigen gesäumten, schlecht beleuchteten Korridor betraten, stand vor uns ein riesiger Pappkarton von der Größe einer Duschkabine. Darin befand sich ein nagelneuer Router, das leistungsfähigste Modell, das Cisco, einer der Branchenführer, zu bieten hatte – für einen sechsstelligen Grundpreis. Nur die größten Websites, Unternehmen und Telekommunikationsbetreiber hatten genügend Traffic, dass sich die Anschaffung einer solchen Maschine rechnete. Wie sie da so stand und auf ihre Inbetriebnahme wartete, erinnerte sie an eine fabrikneue, auf dem Rollfeld eines Flughafens parkende Boeing 747. Doch das Besondere an diesem Router war nicht nur die schiere Datenmenge, die er verarbeiten konnte, sondern die vielen verschiedenen Richtungen, in die er sie verteilen konnte. So gesehen glich der Riesenrouter eher einem Kreisverkehr an der Kreuzung von 160 Autobahnen – 160 ist nämlich die Anzahl seiner Anschlüsse, und jeder einzelne ist mit einem eigenen Prozessor ausgestattet, der die Kommunikation mit einem anderen Router regelt, wie bei einer Straße mit Gegenverkehr. Er war wesentlich leistungsfähiger als die alten Catalyst- oder Gigaswitch-Kästen, die man in Tysons Corner verwendet hatte. Noch bemerkenswerter war jedoch, dass er damit lediglich den Bedarf eines einzigen Netzwerks deckte, und nicht den Mittelpunkt mehrerer Netzwerke bildete. Es handelte sich also nicht um eine einzigartige Maschine, die das Herzstück des Gebäudes darstellte, sondern lediglich um eine von Hunderten, die wiederum alle miteinander verbunden waren.
Diese Verbindungen haben immer zwei Aspekte, einen technischen und einen sozialen. Sie beruhen auf dem menschlichen Netzwerk der Netzwerktechniker. Am Anfang seiner Karriere verbrachte Troyer seine Zeit hauptsächlich damit, auf dem Boden eines dieser Käfige zu sitzen und sich mit einem defekten Router herumzuplagen. Doch in jüngster Zeit war seine Aufgabe eher sozialer Natur und bestand darin, Netzwerke dazu zu ermuntern, sich
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