Kabelsalat: Wie ich einem kaputten Kabel folgte und das Innere des Internets entdeckte (German Edition)
untereinander zu vernetzen – und wenn es klappte, konnte Equinix eine monatliche Gebühr dafür kassieren. Mich überraschte, wie persönlich dieser Prozess ablief. Troyer kannte die Netzwerkspezialisten, er gehörte zu ihren Facebook-Freunden und vergaß nie, ihnen ein Bier auszugeben. Das Internet gründet auf der Vernetzung von Netzwerken, die per Handschlag vereinbart und mit dem Einstöpseln eines gelben Glasfaserkabels umgesetzt wird. Rein technisch gesehen könnten diese Verbindungen über beliebige Entfernungen hinweg hergestellt werden. Doch die direkte Vernetzung ist wesentlich effizienter: Ich schließe meinen Kasten an deinen an, und immer so weiter – ein Vorgehen, das für exponentielles Wachstum sorgt.
Ein Rundgang durch den PAIX gleicht einer Lektion in Sachen »Netzwerkeffekt«, wonach eine Sache immer nützlicher wird, je mehr Menschen sie nutzen – was wiederum zur Folge hat, dass noch mehr Menschen sie nutzen. In Palo Alto hieß das: Je zahlreicher und größer die Internetakteure wurden, die in das Gebäude zogen, desto zahlreicher und größer die Unternehmen, die ebenfalls dort präsent sein wollten, und immer so weiter ad infinitum, gegen alle Gesetze der Physik – und die des Stadtrats von Palo Alto. All das technische Gerät benötigte Notstromaggregate für den Fall eines Stromausfalls, und die Aggregate machen ungeheure Vorräte an Dieselkraftstoff erforderlich – mehr, als selbst dem friedlichsten Nachbarn lieb sein konnte. »Wir haben dieses Gebäude damals bis an seine Grenzen ausgereizt«, erinnert sich Adelson.
Während wir den schmalen Gang entlang zwischen all den Käfigen hindurchliefen, sahen wir über unseren Köpfen die physischen Verzweigungen all dieser Verbindungen: breit dahinströmende Kabelbündel mit dem Durchmesser von Autoreifen, verlegt in von der Decke hängenden Metallrahmen, die dann in »Waterfalls«, wie die Techniker sagen, in den jeweiligen Käfig münden. Das ganze Gebäude schien von ihrer Energie zu vibrieren. »Während wir uns hier unterhalten, werden wir gleichzeitig geröntgt«, sagte Troyer nur halb im Scherz. »Jay hat schon drei Kinder, dem macht das nichts mehr aus.« Allein in diesem einen Gebäude gab es mehr als 10 000 netzwerkübergreifende Querverbindungen. Das hier war das hinter meinem Sofa versteckte, verstaubte Kabelknäuel in Gebäudegröße – und kein bisschen einfacher zu bändigen.
In den Anfangszeiten des PAIX stellte das »Kabelmanagement« eine große technische Herausforderung dar. Das Internet war ein einziger Kabelsalat. Adelson und seine Leute probierten verschiedene Möglichkeiten aus, um die Dinge in den Griff zu bekommen. Einmal versuchten sie es damit, verschiedene Gebäudeabschnitte »vorzuverdrahten« und so feste Verbindungspfade zu schaffen, auf die sie bei Bedarf zurückgreifen konnten – wie in der guten, alten Telefonzentrale. »Doch leider mussten wir, das heißt der arme Felix hier, feststellen, dass man mit jeder Verbindung bloß eine neue Problemstelle schuf«, erinnerte sich Adelson, während Reyes nur den Kopf schüttelte, wenn er daran zurückdachte. Und so blieb man dabei, Kabel je nach Bedarf zu verlegen. Ein paar Jahre später sollte einem besonders findigen Kabelleger namens John Pedro für die von ihm entwickelte Methode, ein »kaskadierendes Kabeltrassensystem« mit »vorgefertigter Stützkonstruktion«, das US -Patent Nr. 6 515 224 zugesprochen werden. 25
Wie wir so zwischen den Käfigen voller grün blinkender Kästen herumspazierten, musste ich mich selbst dazu ermahnen, das, was ich hier gerade sah, mit der realen Welt, dem Leben der Menschen draußen in Verbindung zu bringen und mich grundsätzlich damit auseinanderzusetzen, wie Dinge sich durch das Netz bewegen. Dazu bedurfte es einer gehörigen Portion Phantasie. Einmal angenommen, das gelbe Kabel dort gehörte eBay: Wessen Jade-Teekännchen für Sammler flitzte wohl gerade hindurch? Oder was hatte ein Winzer in Neuseeland wohl einem Scheich in Katar zu sagen? Mein Handy war eingeschaltet und empfing E-Mails – kamen die unterwegs auch hier vorbei? Meine Nichte hatte gerade einen Milchzahn verloren – reiste das auf Facebook eingestellte Bild vielleicht gerade durch den Facebook-Käfig da drüben?
Doch das Internet, das mich hier umgab, war kein Fluss, durch den ich einen Kescher ziehen konnte, um dann die Fische zu zählen. Informationen in der Größenordnung aufzuspüren, mit der wir tagtäglich umgehen – beispielsweise eine
Weitere Kostenlose Bücher