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Kabelsalat: Wie ich einem kaputten Kabel folgte und das Innere des Internets entdeckte (German Edition)

Kabelsalat: Wie ich einem kaputten Kabel folgte und das Innere des Internets entdeckte (German Edition)

Titel: Kabelsalat: Wie ich einem kaputten Kabel folgte und das Innere des Internets entdeckte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Blum
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York geschrieben hatte: Hierher kam man, um sein Glück zu versuchen. 22 Wie die Wall Street, der Broadway oder der Sunset Boulevard verkörpert auch diese Ecke des Silicon Valley einen Traum. Meistens besteht er darin, ein neues Stück Internet aufzubauen, am liebsten natürlich ein milliardenschweres. (Übrigens ist Facebook erst kürzlich wieder umgezogen, auf ein 23 Hektar großes Areal in Menlo Park.)
    Wirtschaftsgeographen würden von einem »Unternehmenscluster« sprechen. Das einzigartige Zusammenspiel von kreativem Talent, Expertenwissen und Geld hat im Silicon Valley eine erstaunlich innovative Atmosphäre geschaffen – oder wie der örtliche Risikokapitalgeber John Doerr es einmal ausdrückte, »die größte legale Anhäufung von Reichtum in der Geschichte der Menschheit«. 23 Und tatsächlich strotzt dieser Ort, vielleicht mehr als jeder andere auf der Welt, von einem kollektiven Glauben an die grenzenlosen Möglichkeiten der Technik – und daran, dass sich diese technischen Möglichkeiten in grenzenlosen Reichtum verwandeln lassen. Dieser Optimismus ist an jeder Ecke spürbar.
    Und doch ist all das mehr als paradox: Der wichtigste Nutzen des Computers für die Menschheit besteht zweifellos in seiner Fähigkeit, Menschen miteinander zu verbinden, die sich an unterschiedlichen Orten befinden. Mehr als wohl jede andere Technologie hat das Internet dazu beigetragen, dass Entfernungen unwichtiger geworden sind – dass die Welt kleiner geworden ist, wie es so schön heißt. Die Soziologin Sherry Turkle vom Massachusetts Institute of Technology schreibt: »Ein Ort pflegte früher einen physischen Raum und die darin befindlichen Menschen zu umfassen.« Aber in Zeiten des allgegenwärtigen Internets trifft das nicht mehr zu. »Was ist ein Ort, wenn jene, die dort körperlich anwesend sind, ihre Aufmerksamkeit auf Abwesende richten?«, fragt sie sich. »Das Internet ist mehr als alter Wein in neuen Schläuchen; inzwischen können wir immer woanders sein.« Die Folgen spüren wir tagtäglich – die Vereinzelung, die mit dem ständigen Verbundensein zunimmt wie in einem Nullsummenspiel. Und doch ist das nur die halbe Wahrheit über das Netz – vor allem im Silicon Valley. Die Möglichkeit, jederzeit überall sein zu können, setzt ein permanentes Geflecht von Verbindungen voraus, auf sozialer wie auf technischer Ebene. Wir können nur deshalb vom Vernetztsein als einem Bewusstseinszustand sprechen, weil wir die zugrunde liegenden physikalischen Verbindungen für selbstverständlich halten.
    Doch diese Verbindungen haben eine ganz konkrete Evolution durchlaufen, die sich an ganz konkreten Orten abspielte – nicht zuletzt in Palo Alto. Die Alchemie, die dort vor sich geht, geschieht nicht per Datenfernübertragung – und kann es wahrscheinlich auch gar nicht. Derart intensive Verbindungen sind ein unverschämt physischer Prozess. Als ich noch dort wohnte, erinnerten mich die Pilger in den gut besuchten Cafés immer an Priester in Rom. Auch wenn sie hier statt Rosenkränzen Smartphonedisplays durch die Finger gleiten ließen, suchten sie doch auf ganz ähnliche Weise die Nähe zum Machtzentrum, aus praktischen wie spirituellen Gründen. Sie alle sind dort, um sich zu vernetzen: die Kasinokapitalisten und die Informatiker mit Stanford-Abschlüssen, die Anwälte und die MBA s sowie die karrieresüchtigen Jungunternehmer, die instinktiv zukünftige Entwicklungen erahnen wie Bluthunde. Und bei den Kabeln ist es nicht anders.
    Palo Alto liegt nur 50 Kilometer südlich von San Francisco, doch an dem Tag, an dem ich dorthin fuhr, war es dort 25 Grad wärmer, und ein intensiver Eukalyptusduft erfüllte die trocken-heiße Luft. Ich war mit zwei getreuen Silicon-Valley-Anhängern zum Mittagessen verabredet, in einem Café an der University Avenue, Palo Altos Hauptstraße. Anschließend wollten wir den Palo Alto Internet Exchange besichtigen, gestern wie heute einer der wichtigsten Knotenpunkte des Internets.
    Jay Adelson und Eric Troyer hatten es sich schon bei dem einen oder anderen Donnerstagnachmittagsbierchen draußen an einem Tisch gemütlich gemacht und beobachteten die Passanten. Die beiden sind alte Freunde, ehemalige Zimmergenossen, frühere Arbeitskollegen und wohl auch die kompetentesten Menschen weit und breit, wenn es um die Frage geht, wie und – viel wichtiger – wo Netzwerke sich miteinander verbinden. Troyer bezeichnet sich selbst als »Netzwerktechniker auf Reha«, eine selbstironische

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