Kabelsalat: Wie ich einem kaputten Kabel folgte und das Innere des Internets entdeckte (German Edition)
nicht, dass das hier ein Kurort wäre.« Neben der Küche befand sich ein verglaster Konferenzraum mit Aeron-Stühlen und in den Tisch eingelassenen roten Knöpfen für die Gegensprechanlage. Eine Handvoll geschäftsmäßig gekleideter Männer und Frauen hatte Unterlagen und Laptops auf dem Konferenztisch ausgebreitet und arbeitete im Auftrag eines Kunden, vermutlich einer Bank, intensiv an der Überprüfung der Sicherheitssysteme des Gebäudes. Neben dem Konferenzraum befand sich eine geschwungene signalrote Wand. Man nennt sie bloß »Silo«, eine Bezeichnung, die hier eher an Interkontinentalraketen denken lässt als an Getreide. Sie war das architektonische Wahrzeichen von Equinix – ähnlich wie die geschwungenen goldenen Bögen von McDonald’s.
Adelson liebte diese Vorstellung: Ein Techniker, der die Verantwortung für ein globales Netzwerk trug, sollte sich in jedem Equinix-Rechenzentrum gleichermaßen zu Hause fühlen. Equinix ist weltweit an circa einhundert Standorten vertreten, und überall hält man sich penibel an die Markenstandards, um diesen Nomaden auf der rastlosen globalen Jagd nach Bits die Reise so angenehm wie möglich zu machen. Auf den ersten Blick vermietet Equinix Raum für Maschinen, nicht für Menschen; doch Menschen, so Adelsons frappierend humanistische Erkenntnis, sind nach wie vor wichtiger. Ein Equinix-Gebäude ist zwar für Maschinen konzipiert, doch die Kunden sind Menschen, und zwar eine ganz besondere Spezies. Folglich sehen Equinix-Rechenzentren so aus, dass sie die Erwartungen an ein Rechenzentrum nicht nur erfüllen, sondern übertreffen – so als wären sie dem Film Matrix entsprungen. »Sobald man einem sehr anspruchsvollen Kunden das Rechenzentrum zeigte und er sah, wie sauber und hübsch hier alles war – wie hochglanzpoliert und cybermäßig und phantastisch –, hatte man das Geschäft schon in der Tasche«, so Adelson.
Troyer, Morgan und ich gingen durch ein Tor in einer Stahlgitterwand, und es war, als beträte man das Innere einer Maschine, die surrend auf Hochtouren lief. Wegen der unglaublichen Hitze, die das ganze Equipment entwickelt, müssen Rechenzentren permanent gekühlt werden. Und deshalb geht es ziemlich laut zu, denn das Geräusch all der Ventilatoren, mit denen die kalte Luft umgewälzt wird, addiert sich zu einem ohrenbetäubenden Dröhnen von der Lautstärke einer stark befahrenen Autobahn. Wir standen am Anfang eines langen, schmalen Gangs mit lauter abgedunkelten Stahlgitterkäfigen, und an jeder Zugangstür befand sich ein eigener Handscanner – ähnlich wie im PAIX , nur viel theatralischer. Blaue Strahler erzeugten ein regelmäßiges Muster aus schwachen Lichtkreisen. Die Leute von Equinix bekennen sich zu ihrem Hang zur visuellen Dramatik, betonen jedoch im gleichen Atemzug, dass das Lichtkonzept auch einem ganz praktischen Zweck dient: Durch die Gitterkäfige kann die Luft viel freier zirkulieren als es bei kleinen, geschlossenen Abteilen der Fall wäre, und die gedämpfte Beleuchtung sorgt für eine gewisse Privatsphäre – neugierige Konkurrenten können nicht so genau erkennen, welches Equipment man benutzt.
Die Equinix-Gebäude in Ashburn (und eigentlich überall, aber hier ganz besonders) beherbergen jedoch nicht einfach endlose Reihen von Servern, die wiederum riesige Festplatten enthalten, auf denen Websites und Videos gespeichert sind. Der meiste Platz wird vielmehr von Netzwerkausrüstung beansprucht: Maschinen, die ausschließlich dazu da sind, sich mit anderen Maschinen auszutauschen. Eine Firma wie Facebook und eBay oder eine Großbank verfügt in der Regel über eigene Datenlager mit gigantischen Speicherkapazitäten. Den Platz dafür mietet sie entweder, zum Beispiel in den Flugzeugträgern von DuPont Fabros nebenan, oder sie besitzt eigene Gebäude, die Hunderte Kilometer entfernt an einem Ort stehen, wo der Strom billig und genug Glasfaser im Boden verlegt ist. Dann besorgt sie sich eine stabile Glasfaserverbindung zu diesem gekühlten Auslieferungslager hier, um so ihre Daten von einem einzigen Käfig aus in alle Himmelsrichtungen verteilen zu können. (Genau so macht es Facebook – in mehreren Equinix-Rechenzentren in aller Welt, unter anderem in Palo Alto.) Die großen Hochleistungs-Datendepots stehen irgendwo in der Pampa, während der tägliche Warenumschlag – also der konkrete Austausch von Bits – hier stattfindet, an einem Ort, der in der virtuellen Welt eine Metropole, in der realen Welt aber nur ein kleiner
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