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Kabelsalat: Wie ich einem kaputten Kabel folgte und das Innere des Internets entdeckte (German Edition)

Kabelsalat: Wie ich einem kaputten Kabel folgte und das Innere des Internets entdeckte (German Edition)

Titel: Kabelsalat: Wie ich einem kaputten Kabel folgte und das Innere des Internets entdeckte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Blum
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waren damals noch Zukunftsmusik. Die 6000 Kilometer von Paris nach Washington waren weit genug, auch ohne die zusätzlichen 4000 Kilometer bis an die Westküste. Die Ostküste brauchte dringend einen neuen Internetknoten – und zwar einen wesentlich effizienteren als den MAE -East.
    Als Adelson sich die Sache näher ansah, erkannte er, dass es am einfachsten wäre, der Konkurrenz mitten in Tysons Corner ein neues Equinix-Gebäude vor die Nase zu setzen. Doch diese Option schied von vornherein aus. Der Ort »war schon viel zu lange durch die Telekommunikationshölle gegangen«, erinnert sich Adelson. Die Straßen in der Umgebung waren schon so oft aufgegraben worden, dass die Stadtplaner von Fairfax County die Nase gestrichen voll hatten. Loudoun County dagegen, etwas weiter westlich von Washington, bestand immer noch größtenteils aus Farmland im Schatten des Dulles Airport. Und dort wollte man unbedingt mit von der Internet-Partie sein. Adelson kann sich noch gut an das Plakat im Eingangsbereich des Verwaltungsgebäudes erinnern, das eine Handvoll Telefonkabel vor purpurnem Licht zeigte, darunter der hoffnungsfrohe Slogan »Wo Glasfasern zu Hause sind «. Und Glasfasern waren genau das, was Equinix brauchte – und zwar in rauen Mengen und von möglichst vielen Netzbetreibern, wie im PAIX . Sie waren wie der Sonnenschein für ein Gewächshaus. Die Beamten von Loudoun County unterstützten Equinix nach Kräften und räumten dem Unternehmen sogar das nötige Wegerecht ein, damit es die Straßen bis vor die Eingangstür des Gebäudes aufgraben lassen konnte. Und dieses Mal war Adelson sich sicher, dass er die Betreiber nicht würde anlügen müssen. Der PAIX hatte sich für sie binnen kurzer Zeit zu einer wahren Goldgrube entwickelt, und Equinix bot das gleiche Konzept, aber in größerem Stil. Der Zeitpunkt hätte gar nicht besser sein können. Das Geschäft mit den Breitbandanschlüssen boomte, und überall im Land wurden Milliarden Dollar in große, moderne Glasfasernetzwerke investiert.
    Für die fachkundige Beratung bei der Auswahl eines geeigneten Grundstücks heuerte Adelson auf einer solchen Glasfaserbaustelle eine Baufirma an und sagte den Mitarbeitern, sie sollten ihre Landkarten mitbringen. Gemeinsam kreiste man ein kleines Grundstück im gemeindefreien Städtchen Ashburn ein, zwischen der Waxpool Road und den stillgelegten Gleisen einer alten Eisenbahnlinie, circa 5 Kilometer vom nördlichen Ende des Rollfelds des Dulles Airport entfernt. Die aufstrebende Firma Equinix kaufte den Grund kurzerhand. Es war besser, das Fleckchen Erde zu besitzen. Denn mit der Bebauung, die Adelson vorschwebte, würde man in ein paar Jahren nicht einfach mal so ein paar Häuserblocks weiterziehen können. Einmal aufgebaut, würde es ein empfindliches, fest verankertes, durch den steten Zuzug von Netzwerken geformtes Ökosystem sein.
    Doch zunächst war es dort einfach nur leer – zumindest kam es Adelson nach den beengten Verhältnissen in Palo Alto so vor. Dem Wachstum des PAIX waren (und sind bis heute) aufgrund seiner Innenstadtlage enge Grenzen gesetzt. Ashburn dagegen war das steingewordene Sendungsbewusstsein des Internets. Das Netz der Netze war nun nicht mehr auf die beengte Telefoninfrastruktur der Ballungsräume angewiesen. Stattdessen konnte sich das Internet in den unberührten Landschaften Amerikas ausbreiten, wo die Wachstumsmöglichkeiten grenzenlos schienen.
    * * *
    Für alle, die mit dem Internet zu tun haben, ist die Kleinstadt Ashburn im Bundesstaat Virginia heute eine Metropole. Ständig sprechen sie von »Ashburn«, oft in einem Atemzug mit London oder Tokio. Der unscheinbare Gebäudekomplex von Equinix, etwas versteckt hinter einem Embassy Suites Hotel gelegen, ist nicht größer oder gesichtsloser als die kleinen Lagerhallen und Industriegebäude in der Umgebung. Als ich an einem heißen Junitag zum ersten Mal dorthin kam, fegte gerade ein Hausmeister mit Mundschutz den leeren Bürgersteig. Flugzeuge dröhnten über unsere Köpfe hinweg. Hochspannungsleitungen säumten den Horizont. Das umliegende Viertel war so neu, dass ich, als ich einmal um den Block fahren wollte, rasch von jungfräulichem Asphalt auf Kieswege geriet. Mein Navigationsgerät zeigte offenes Gelände an. Die Karte hatte mit dem Wachstum des Industriegebiets nicht Schritt gehalten. Zu beiden Seiten der Straße zweigten großzügige Zufahrten in saftig grüne Wiesen ab und endeten nach wenigen Metern so abrupt, als warteten sie auf

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