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Kabelsalat: Wie ich einem kaputten Kabel folgte und das Innere des Internets entdeckte (German Edition)

Kabelsalat: Wie ich einem kaputten Kabel folgte und das Innere des Internets entdeckte (German Edition)

Titel: Kabelsalat: Wie ich einem kaputten Kabel folgte und das Innere des Internets entdeckte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Blum
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Anatomie einer typischen technischen Anlage schwadroniert er mit Vergnügen. In der vorderen Ecke der parklückengroßen Fläche befand sich der DMARC , eine Abkürzung für »Demarkationspunkt«, ein alter Begriff aus der Telekommunikationssprache, der jene Stelle bezeichnet, an der die technischen Anlagen der Telefongesellschaft endeten und die des Kunden anfingen. Genauso war es auch hier. Das Gehäuse aus Metall und Plastik, etwa von der Größe des Sicherungskastens eines größeren Hauses, war die Schaltstelle zwischen den Kommunikationsleitungen von Equinix und jenen des Kunden. Es war die Industrieausführung einer Telefondose: ein passives, »dummes« Gerät, dessen Aufgabe darin bestand, dafür zu sorgen, dass die Kabel schön geordnet blieben und man sie problemlos anschließen konnte. Von dieser Schnittstelle aus liefen die Kabel dann über an der Decke befestigten Schienen zu den eigentlichen Serverschränken.
    Serverschränke in Rechenzentren sind immer 19 Zoll (48,26 Zentimeter) breit – eine Größe, die in Kombination mit der dazugehörigen Standardhöhe von 1,75 Zoll (4,45 Zentimeter) als eigene Maßeinheit, »Rack Unit« ( RU ), verwendet wird. Das Herz der Anlage in diesem Käfig bildeten zwei Juniper T640 Router, wäschetrocknergroße Geräte, die dazu dienen, riesige Datenmengen in Richtung ihres Bestimmungsorts auf die Reise zu schicken. Hier handelte es sich um Geräte gleicher Bauart. Sollte eines ausfallen, konnte das andere einspringen und übergangslos weitermachen. Troyer zählte die 10-Gigabit-Schnittstellenkarten in einem der Geräte, jede mit eigenem grünem Blinklicht und einem gelben Kabel. Es waren insgesamt siebzehn. Alle zusammen konnten sie eine Datenhöchstmenge von 170 Gigabit pro Sekunde verarbeiten – was in etwa dem Datenverkehrsaufkommen eines regionalen Kabelnetzbetreibers wie Cablevision entsprach, der die Bedürfnisse von etwa drei Millionen Kunden befriedigte. Damit alle diese Einzeldaten auf dem richtigen Weg weitergeleitet wurden, nachdem ihr Ziel mit einer internen Liste von Möglichkeiten abgeglichen worden war, bedurfte es beträchtlicher Rechnerkapazität, um unzählige logische Entscheidungen zu treffen. Diese vielen Rechenvorgänge wiederum erzeugten eine enorme Wärme, und wenn man nicht riskieren wollte, dass die Maschine in der eigenen Hitzeentwicklung verschmorte, mussten die dröhnenden Lüfter auf Hochtouren laufen. Der heiße Luftstrom, der uns aus dem Drahtkäfig entgegenkam, war so stark, dass wir die Augen zusammenkneifen mussten.
    In einem Serverschrank neben den beiden großen Routern waren ein paar Server mit nur einer Rack Unit untergebracht. Um ganze Websites oder Videos zu speichern, waren sie viel zu klein. Viel wahrscheinlicher war darauf lediglich Software installiert, um den Traffic des Netzwerks zu überwachen – wie kleine Technikroboter in Laborkitteln, die eifrig Notizen auf ein Klemmbrett kritzelten. Unterhalb der Server befand sich Backup-Equipment, das über einen Pfad abseits der Hauptrouter mit dem Rest der Welt verbunden war – vielleicht sogar über ein altes Telefonmodem, manchmal auch durch eine mobile Datenverbindung wie ein Handy oder beides. Das war die Ausfallsicherung. Sollte im Internet (oder – wahrscheinlicher – in diesem Teil des Internets) einmal etwas völlig schiefgehen, so konnten sich die Betreuer dieses Netzwerks immer noch in die großen Juniper-Router einwählen, um den Schaden zu beheben – oder es wenigstens zu versuchen. Für einen solchen Fall konnte man sich schließlich nicht auf die eigenen, ausgefallenen Leitungen verlassen. Wobei es immer noch eine weitere Möglichkeit gab: die klobige Steckerleiste auf dem Fußboden, aus der nicht nur große Elektrokabel quollen, sondern auch ein Ethernet-Kabel, das eine Rückverbindung zum Netzwerk herstellte. Dadurch konnte man genau das tun, was auch Sie bei sich zu Hause machen, um das Internet wieder zum Laufen zu bringen: einmal aus- und wieder einstöpseln. Nur dass das hier eben ferngesteuert funktionierte, indem ein Netzwerktechniker aus der Entfernung den Strom aus- und einschaltete – immer ein wertvoller Tipp zur Fehlerbehebung, auch bei diesen eine halbe Million Dollar teuren Kisten. Aber es funktioniert leider nicht immer. Manchmal mussten die Jungs von der Technik doch noch in voller Lebensgröße auftauchen, um den Stecker höchstpersönlich zu ziehen.
    Equinix verzeichnet in Ashburn pro Woche mehr als zwölfhundert Besucher, auch wenn ich mir

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