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Kabelsalat: Wie ich einem kaputten Kabel folgte und das Innere des Internets entdeckte (German Edition)

Kabelsalat: Wie ich einem kaputten Kabel folgte und das Innere des Internets entdeckte (German Edition)

Titel: Kabelsalat: Wie ich einem kaputten Kabel folgte und das Innere des Internets entdeckte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Blum
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Vorort ist, wo Hunderte von Netzwerken ihre Büros (bzw. Käfige) Tür an Tür nebeneinander haben.
    All diese Verbindungen waren über unseren Köpfen in Strömen von Kabeln verkörpert, die die Decke verdunkelten. Wenn zwei Kunden sich miteinander vernetzen wollen, fordern sie eine Querverbindung an, einen »Cross Connect«, und ein Techniker von Equinix klettert dann eine Leiter hoch, um ein gelbes Glasfaserkabel von Käfig zu Käfig zu verlegen. Sobald diese Verbindung steht, haben die beiden Netzwerke wieder einen Zwischenschritt (einen »Hop«) eliminiert, wodurch der wechselseitige Datentransfer billiger und effizienter wird. Die Equinix-Techniker haben das Kabelverlegen zu einer Kunstform erhoben, bei der jede einzelne Kabelsorte in einer bestimmten Ebene untergebracht wird, wie in einer Art Blätterteig. Unmittelbar über unseren Köpfen befanden sich Kabelkanäle aus gelbem Plastik, die in Form und Größe einer Regenrinne entsprechen und hauptsächlich von einer Firma namens ADC hergestellt werden. Es gibt sie als Baukastensystem mit geraden Abschnitten, »Fallrohren«, und Verbindungsstücken, alles in verschiedenen Breiten erhältlich, je nachdem, wie viele Kabel man verlegen will. Das »4x6-System« kann beispielsweise maximal 120 je 3 Millimeter starke, vorkonfektionierte Patchkabel aufnehmen, während in das »4x12-System« bis zu 2400 Kabel passen. Equinix kauft diese Kabelkanäle in solchen Mengen, dass man gelegentlich Sonderfarben verlangt – durchsichtiges Plastik oder Rot anstelle des handelsüblichen Gelb. Die ältesten Kabel liegen an der Unterseite des Bündels. »Es ist fast wie bei einem Eisbohrkern«, meinte Troyer. »Je tiefer man kommt, desto älter die Sedimente.« Da für jede Querverbindung eine monatliche Gebühr zu entrichten ist, handelt es sich dabei um das Kerngeschäft von Equinix. Buchhalter sehen in jeder einzelnen Querverbindung die regelmäßigen monatlichen Einkünfte. Netzwerkspezialisten haben stattdessen Vektoren und Datenübertragungsraten vor Augen. Und die Jungs von der Technik denken an die Rückenschmerzen, die sie sich holen, wenn sie beim Kabelverlegen über Kopf arbeiten müssen. Doch auf denkbar konkreteste Art und Weise verkörpern diese Kabel das »Inter« des Internets: das Dazwischen.
    Eine Schicht näher an der Decke, über den gelben Glasfaserkabeln, verläuft das »Whalebone«, ein eher offenes Kabelführungssystem, das an den Brustkorb eines riesigen Meeressäugers erinnert. Es nimmt die Kupfer-Datenleitungen auf, die dicker, robuster und billiger sind als die gelben Glasfaserkabel, jedoch wesentlich weniger Daten transportieren können. Darüber folgt ein Edelstahlgestell für Wechselstrom, gefolgt von einem stabilen schwarzen Kabelkanal für Gleichstrom, und schließlich einer Schicht dicker, grüner Erdungskabel; jede Ebene liegt gut sichtbar über der nächsten, wie Äste in einem Wald. Zuletzt, ganz oben unter der schwarzen Decke befindet sich der »Innerduct«: ein geriffelter, flexibler Plastikschlauch, in dem die dicken Glasfaserstränge der Netzbetreiber verlaufen. Hier waren die Kabel von Verizon, Level 3 oder Sprint verlegt. Im Gegensatz zu den gelben Patchkabeln, die jeweils nur eine einzige Glasfaser enthalten, kann so ein Kabeleinzugsschlauch bis zu 864 Glasfaserstränge aufnehmen, die aus Platzgründen dicht gebündelt sind. Sie sind das Rückenmark von Ashburn – deshalb hatte Adelson anfangs ja so darum gekämpft, dass sie hierher verlegt wurden – und verlaufen daher am sichersten Ort ganz oben an der Decke, wo sie nicht so leicht beschädigt werden können. »Das Zeug ist ungeheuer wichtig für uns«, erklärte Troyer. »Die hereinkommenden Glasfaserbündel sind unser größtes Kapital.«
    Wir folgten dem Verlauf der Kabelschläuche ins Zentrum des Gebäudes, zur Rackreihe der Netzbetreiber. Es ist sehr praktisch, die Branchenriesen in der Mitte zu konzentrieren, denn dadurch verringert sich die Wahrscheinlichkeit, ein Kabel über 200 Meter von einem Ende des Gebäudes zum anderen verlegen zu müssen. Doch gleichzeitig ist es auch symbolträchtig: Sie sind wie beliebte Teenager, die auf jeder Party im Mittelpunkt stehen, während sich die Randfiguren die Hälse verrenken, um einen Blick auf sie zu erhaschen.
    Wir kamen zu einem Käfig, bei dem das Licht gerade eingeschaltet war. Troyer ist von Berufs wegen zwar äußerst diskret, wenn es um die Frage geht, welche Firmen ihr technisches Gerät hier installiert haben, aber über die

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