Kabine 14: Ein Kitzbühel-Thriller (German Edition)
Matteo auf den Punkt. „Ich gehe davon aus, dass ihr so durstig seid wie ich. Wenn wir vom schlimmsten Fall ausgehen und erst nach Mittag gerettet werden, sind das noch ein paar Stunden.“
„Willst du wieder einen Helm aus der Luke stecken?“, fragte Martin. „Das war letztens nicht sehr erfolgreich.“
„Nein“, widersprach Matteo. „Ich will ein Fenster einschlagen und den Schnee von der Scheibe kratzen.“
„Ja, klar. Und dann …“ Martin verstummte. „Du hast das ernst gemeint?“
„Natürlich. Wie du richtig sagst, hat das mit dem Helm nicht funktioniert. Durch ein offenes Fenster können wir den Schnee bequem abschaben oder in einem Gefäß auffangen.“
„Wie willst du das Plexiglas zerbrechen?“, erkundigte sich Raphael. „Das wird nicht leicht.“
„Mit Henriks Messer. Damit sollte es klappen.“
„Wird es dann nicht saukalt hier?“, argwöhnte Michelle.
Matteo zuckte die Schultern. „Falls es kühler werden sollte, können wir das Loch wieder verschließen.“ Mit einem Seitenblick auf die beiden reglosen Gestalten am Boden, fügte er hinzu: „Kleidungsstücke haben wir jetzt ja genug.“
Seilbahn GmbH Kitzbühel, Eingangshalle
Sonntag, 7. Januar, 08:27 Uhr
Bernhard hatte sich äußerlich nichts anmerken lassen; hoffte er wenigstens. Unter dem Vorwand, die Daten für ihre Ermittlungen zu benötigen, ließ er sich von der Sekretärin einen Abzug der Fahrgastzusammenstellung anfertigen. Jetzt saß er auf einem Stuhl in der Eingangshalle und betrachtete unschlüssig Sonjas Mobilfunknummer.
„Ruf sie an“, sagte Anna leise. „Aber verrate ihr nicht, weshalb wir hier sind. Ich überprüfe inzwischen diesen Martin Albers.“
Sie entfernte sich einige Schritte, zog ihren Tablet-PC hervor und beachtete Bernhard nicht weiter. Dieser rieb sich die Hände, atmete tief durch und tippte Sonjas Nummer in sein Mobiltelefon.
Es läutete einmal. Es läutete zweimal. Endlich wurde der Anruf entgegengenommen.
„Ja?“
Sie war es. Ohne Zweifel. Ein bitterer Kloß stieg in Bernhards Hals empor. Musste das erste Zusammentreffen mit seiner Tochter unter solch miserablen Gegebenheiten stattfinden?
„Hallo?“
Ihre Stimme klang schwach. Schwach und verunsichert.
„Hallo … Sonja“, entgegnete er.
„Wer ist da?“
„Bernhard. Dein Vater.“
„Papa?“ Bodenloses Erstaunen lag in diesem einen Wort. Und, wenigstens soweit Bernhard sagen konnte, keine Verärgerung oder gar Hass.
Bernhards Empfindungen rangen miteinander. Er
musste
seine Tochter in die Tatsache einweihen, dass möglicherweise ein Massenmörder neben ihr in der Kabine saß. Aber er
durfte
es nicht. Abgesehen davon, dass er nicht sagen konnte, wie sie reagieren würde, mochte der Täter durch das Gespräch und Sonjas Verhalten Verdacht schöpfen. Außerdem, vielleicht irrten sie ja. Vielleicht gab es gar keinen Mörder – wenigstens nicht in der gestrandeten Gondel.
„Ist … alles in Ordnung?“, presste er hervor.
„Ja … Ich meine, es geht. Könnte besser sein. Woher hast du meine Nummer? Weshalb rufst du mich an? Bist du …?“
„Ist eine lange Geschichte“, unterbrach sie Bernhard. „Und jetzt ist nicht der richtige Moment, darüber zu sprechen. Aber wenn du willst, können wir das tun, wenn ihr wieder im Tal seid.“
„Das heißt, du weißt, was passiert ist? Woher hast du erfahren, dass ich in der Gondel gefangen bin?“
„Wie gesagt, ist eine lange Geschichte. Jedenfalls bin ich derzeit in Kitzbühel. Also wenn du nachher Zeit und Lust hast …“
Schweigen. Bernhard befürchtete, dass Sonja seinen Vorschlag ablehnen würde, so wie sie es etliche Male zuvor getan hatte. Es war eine eitrige Wunde, die jedes Mal von Neuem aufriss, wenn er mit seiner Tochter zu sprechen gedachte. Sein falsches Verhalten, seine Dummheit und Ignoranz waren die Ursachen dafür, dass Sonja den Kontakt zu ihm abgebrochen hatte.
„Ja“, erwiderte sie leise. „Ich glaube, du hast recht. Wir sollten miteinander sprechen.“
Erleichterung und Hoffnung loderten in Bernhard empor. Womöglich war dies die Wende. Vielleicht würde alles so werden wie früher. Vater und Tochter, ein unzertrennliches Paar.
„Das freut mich“, sagte Bernhard und bemühte sich, seine überschäumende Euphorie zu zügeln. „Schön, deine Stimme zu hören. Dann … pass auf dich auf.“
„Werde ich machen. Bis später, Papa.“
Seilbahn GmbH Kitzbühel, Besprechungraum
Sonntag, 7. Januar, 08:29 Uhr
„Franz, Benjamin – darf ich euch
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