Kabine 14: Ein Kitzbühel-Thriller (German Edition)
Emma ahnte, was in ihm vorging. Seine Selbstbeherrschung war schon immer ein wackeliges Kartenhaus gewesen. Je boshafter und verletzender seine Kommentare wurden, desto schlechter stand es um seine Besonnenheit.
Matteo mahlte mit den Zähnen. Sein Blick war auf den Boden gerichtet, kleine Schweißtropfen standen auf seiner Stirn. „Du hast recht“, presste er hervor. Er wandte sich an Sonja. „Tut mir wirklich leid. Das war nicht so gemeint. Ich werde persönlich dafür Sorge tragen, dass du dieses Abenteuer heil überstehst.“
Sonja lächelte schwach. „Danke“, flüsterte sie, streckte ihre Hand aus und berührte Matteo an der Schulter. „Ich nehme es dir nicht übel.“
Matteo atmete schwer und so tief, dass sich seine Brust hob und senkte wie nach einem Hundert-Meter-Sprint.
„Ich hoffe, den Einsatzkräften fällt endlich etwas ein, das funktioniert.“
„Bestimmt“, versicherte Rüdiger. „Die haben mit Sicherheit die hellsten Köpfe zusammengetrommelt. Ich bin davon überzeugt, dass der nächste Plan klappen wird.“
Wenn sie einen haben
, dachte Emma. Aber das sagte sie nicht laut.
Seilbahn GmbH Kitzbühel, Büro des Betriebsleiters
Sonntag, 7. Januar, 08:20 Uhr
„Das sind … wenig erfreuliche Neuigkeiten“, presste Franz hervor.
„Es tut mir aufrichtig leid, Sie mit diesen Informationen belasten zu müssen“, erwiderte Bernhard. „Mir ist bewusst, dass die Situation angespannt ist und Sie ohnehin genug Sorgen haben. Aber sofern sich unsere Vermutung bestätigt, wäre es dringend erforderlich, dass Sie mit uns kooperieren.“
„Was sollen wir tun?“
„Zunächst würde ich gern wissen, ob die Bergung bereits im Gange ist.“
„Nein. Wir mussten sie wegen eines Seilüberschlags abbrechen. Derzeit beraten wir die weitere Vorgehensweise.“
„Sehr gut.“ Bernhard nickte. „Wichtig ist, dass wir am Laufenden gehalten werden. Sobald Herr Albers die Gondel verlassen hat, müssen wir umgehend mit ihm sprechen. Das Beste wäre, wenn wir ihn direkt in Empfang nehmen können. Ist das möglich?“
Franz kratzte sich am Kopf. „Ja, ich denke … das wird machbar sein.“
„Ausgezeichnet. Die Details besprechen wir, sobald der Bergungsablauf geklärt ist. Bis dahin empfehle ich, unser Gespräch streng vertraulich zu behandeln.“
Franz nickte abwesend. Bernhard stellte fest, dass die Hände des Betriebsleiters zitterten. Auch die ungewöhnlich starren Gesichtszüge waren ihm nicht entgangen.
„Sie besitzen eine Liste mit den Namen der Passagiere?“, erkundigte sich Bernhard.
„Ja“, bestätigte Franz und reichte dem Kommissar die Zusammenstellung. „Es sind zwölf Personen. Wir haben auch die Handynummern und Anschriften.“
Bernhard nahm den Zettel entgegen.
Martin Albers
war gleich an zweiter Stelle gelistet. Seine Heimatadresse war ein evangelisches Pfarrhaus in der Schweiz. Ein mehr als verdächtiger Zufall.
Bernhard überflog die restlichen Namen:
Emma Vill, Matteo Vill, Rüdiger Bocconcelli, Raphael Vogt, Sonja Lichtenberger, Doris Helmreich, Samantha
…
Er stockte.
Das war unmöglich.
Er las den Namen ein zweites Mal. Und ein drittes Mal. Selbst die Adresse war korrekt. Bernhards Finger verkrampften sich. Ihm war, als würde sich sein Herz in einen flüssigen, pulsierenden Bleiklumpen verwandeln. Ein brennender Schmerz brach aus seinem mutierten Körperzentrum und brandete wie flüssiges Quecksilber durch seine Adern.
Sonja Lichtenberger. Seine Tochter.
Schiregion Kitzbühel, 3S-Bahn, Kabine 14
Sonntag, 7. Januar, 08:21 Uhr
„Ich habe Durst“, murmelte Sonja.
Unverzüglich kramte Raphael nach seiner Wasserflasche. Obwohl ihm beim Anblick der verlockend glucksenden Flüssigkeit das Wasser im Mund zusammenlief, verzichtete er auf einen Schluck und reichte die Flasche Sonja weiter. Es war kaum noch ein Viertelliter, der sich in dem Behälter befand.
Sonja zögerte. „Trink du zuerst“, sagte sie matt.
Raphael schüttelte den Kopf. „Ich habe vorhin was getrunken“, log er. „Der Rest ist für dich.“
Sonja zog zweifelnd die Augenbrauen hoch, aber ihr Widerstand bröckelte angesichts der verführerisch glitzernden Wassertropfen. Sie setzte den Behälter an ihre ausgedörrten Lippen und leerte ihn in einem Zug. Raphael registrierte, dass einige der Passagiere die Wasserflasche mit sehnsüchtigen Blicken bedachten. Er war beileibe nicht der Einzige, der von dem verzehrenden Wunsch nach Flüssigkeit geplagt wurde.
„Wir brauchen Wasser“, brachte es
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