Kabine 14: Ein Kitzbühel-Thriller (German Edition)
loderten in Natascha empor. Mit all ihrer Willenskraft befahl sie den Fingern, sich zu lösen. Wie ein sprödes, verrostetes Scharnier folgten die Glieder nur widerwillig, aber taten zuletzt, wie ihnen geheißen. Mühsam hob Natascha einen Fuß an und setzte ihn eine Sprosse weiter nach unten. Eine heftige Windböe brachte sie aus dem Gleichgewicht. Sie kippte zur Seite und schlitterte gleichzeitig abwärts, knallte mit ihrer Schulter gegen eine vorstehende Kante.
Ein feuriger Schmerz flammte auf, irgendetwas riss ihr die Sturmhaube vom Kopf. Panisch griff sie nach einer Querstrebe der Leiter, doch ihre kraftlosen Finger fanden keinen Halt. Sie glitt tiefer, umschlang mit ihren Oberarmen einen seitlichen Metallsteher. Doch dieser war ebenso schlüpfrig wie der Rest der Seilbahnstütze. Sie rutschte erdwärts, immer schneller, verlor einen Handschuh – und erhielt einen gewaltigen Schlag auf den Kopf, der ihr augenblicklich die Besinnung raubte.
Seilbahn GmbH Kitzbühel, Besprechungsraum
Samstag, 6. Januar, 11:35 Uhr
„Der Fahrer des Bergewagens ist tot“, sagte eine Stimme, beinahe nicht zu verstehen durch all das Knistern und Rauschen. „Der Notarzt hat sein Ableben bestätigt.“
Franz biss sich auf die Lippen. Nach einer halben Stunde vergeblicher Reanimation war dies abzusehen gewesen. Aber das machte es nicht besser.
„Konnte die Ursache festgestellt werden?“, fragte er.
„Nein. Allerdings hat er eine großflächige Platzwunde am Hinterkopf.“
„Die hatte er bereits, bevor mit der Bergung der Kabinen begonnen wurde. Er ist gestürzt und war kurzzeitig bewusstlos.“
Es währte einige Sekunden, dann meldete sich die Stimme erneut. „Der Notarzt meint, dass eine Hirnblutung in Folge eines Schädel-Hirn-Traumas aufgetreten sein könnte. Sicher wird man es nach der Obduktion wissen.“
„Gut, danke.“ Franz wechselte die Frequenz und nahm Kontakt mit der Bergstation auf. „Wie sieht es bei euch aus?“
„Die meisten Wintersportgäste befinden sich bereits im Tal oder auf dem Weg dorthin“, erwiderte Moritz.
„Ist Gruppe drei bei euch eingetroffen?“, warf Wilhelm ein.
„Ja. Derzeit haben wir keinen Personalmangel. Die Räumung der Bergstation läuft planmäßig.“
„Und der Pistendienst?“
„Kontrolliert den gesamten Streckenverlauf auf versprengte Schifahrer.“
„Wie steht es um die Suche nach Natascha?“
„Keine Spur von ihr. Der Suchtrupp hat sich noch nicht gemeldet.“
Franz seufzte schwer und lehnte sich in seinem Stuhl zurück. Was ihn momentan am meisten beschäftigte, war Benjamins Verhalten. Er hatte seinen Sicherheitschef bislang für einen umsichtigen und gewissenhaften Mitarbeiter gehalten, aber die Zuneigung zu Natascha war Benjamins rationalem Verstand in keiner Weise zuträglich. Es war ein Fehler gewesen, die junge Blondine einzustellen. Falls sie noch lebte, würde er sie feuern.
Fristlos.
Flughafen München, Halle Terminal 2
Samstag, 6. Januar, 11:40 Uhr
„Das ist jetzt aber ein Witz!?“ Bernhard wusste nicht, ob er lachen oder weinen sollte.
„Leider nein“, sagte Anna. Ihr Gesichtsausdruck schwankte zwischen Enttäuschung und Verärgerung. „Es ist wieder ein Leihwagen, und der Namen des Mieters ebenso erfunden.“
„Unglaublich“, murmelte Bernhard und rieb sich das Nasenbein. „Der Typ ist ein Phantom.“
Die zweite Überwachungskamera des Parkplatzes war auf die Ausfahrt gerichtet. Dadurch hatten sie nicht nur festzustellen vermocht, wann der mutmaßliche Täter die Abstellfläche verlassen hatte – Donnerstag, kurz vor halb zwölf am Vormittag – sondern auch die Nummerntafel ausmachen können. „Hat er denselben Namen gewählt?“, erkundigte sich Bernhard.
„Nein. Jetzt heißt er Hermann Ragendorf aus Berlin. Tatsächlich ist das ein querschnittgelähmter Rentner. Der Typ muss einen ganzen Koffer mit falschen Dokumenten besitzen.“
„Ich nehme an, er hat den Wagen von einem anderen Autoverleih bezogen?“
„Ja. Und hier wird es interessant. Das Fahrzeug, ein BMW der oberen Preiskategorie, wurde für eine ganze Woche bei einer Firma am Flughafen bestellt und Dienstagabend abgeholt. Das legt die Vermutung nahe, dass unser Mann mit dem Flugzeug gekommen ist.“
„Und es bedeutet, dass er möglicherweise noch immer mit dem Wagen unterwegs ist“, ergänzte Bernhard. „Besser als nichts. Wir schreiben das Fahrzeug zur Fahndung aus. Vielleicht haben wir Glück.“
„Ich werde das gleich veranlassen. Wie gehen wir weiter
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