Kabine 14: Ein Kitzbühel-Thriller (German Edition)
habe angenommen, dass mich Sonja heiraten will?
, schoss es Raphael durch den Kopf. Aber egal. Was geschehen war, war geschehen. Es wurde Zeit, dass er seine Gedanken vorwärts richtete. Wenn Sonja kein Interesse an einer Heirat hatte, dann eben nicht. Genaugenommen war das nicht weiter tragisch. Nächstes Jahr war geradeso gut wie heuer. Und die Ringe würden ebenfalls nicht schlechter werden. Raphael straffte demonstrativ die Schultern.
„Hat jemand Lust zu pokern?“, fragte Sebastian. Er zog ein Kartenspiel aus seiner Jackentasche und wand es geschickt zwischen den Fingern.
„Ja“, erwiderte Raphael zu seiner eigenen Überraschung. Eigentlich mochte er Kartenspiele nicht. Andererseits war jede Ablenkung willkommen.
„Bin auch dabei“, sagte Martin.
„Ich ebenso“, erwiderte Rüdiger. „Wie wäre es mit einem Wetteinsatz? Der Gewinner erhält das Benutzungsvorrecht für die Bodenluke.“
Mehrere Fahrgäste lachten, selbst Raphael musste grinsen.
„Geht es dir besser?“, fragte Sonja und schmiegte sich an ihn.
Ein Gefühl wohliger Wärme erfüllte Raphaels Körper und vertrieb die lauernde Kälte. Er umarmte seine Freundin und drückte ihr einen Kuss auf die Stirn. Sie liebte ihn. Das war doch alles, was er sich nur wünschen konnte.
„Ja“, sagte er. „Viel besser.“
Seilbahn GmbH Kitzbühel, Besprechungsraum
Samstag, 6. Januar, 11:47 Uhr
„Wir haben Natascha gefunden. Sie lebt, und Benjamin ist bei ihr.“
Erleichtertes Aufatmen wanderte durch den Raum.
Franz blieb nach außen hin völlig unbeeindruckt. „Wo ist sie?“, erkundigte er sich. „Wie geht es ihr?“
„Sie befindet sich am Fuß der 3S-Stütze. Wir sind gerade bei ihr eingetroffen. Einen Moment, ich melde mich gleich wieder.“ Franz spürte, wie sich sein Herzschlag beschleunigte und ihm der Schweiß ausbrach. Zwei Nebenwirkungen des Medikaments. Aber damit musste er leben. „Vermutlich hat sie sich Brüche des Oberschenkels und einiger Finger zugezogen. Auch ist sie stark unterkühlt. Möglicherweise hat sie noch andere Verletzungen. Aber sie ist bei Bewusstsein.“
„Gut. Wir schicken den Notarzt zum unteren Ende von Piste vierunddreißig.“
Wilhelm schaltete sich ein. „Habt ihr eine Tragbahre dabei?“
„Ja. Natascha wird soeben zum Abtransport vorbereitet.“
Franz überlegte, ob er nach Benjamin fragen und mit ihm sprechen sollte, entschied jedoch, dass für eine Zurechtweisung später genug Zeit sein würde. Zunächst galt es, die Evakuierung der verbliebenen Personen in der Bergstation abzuschließen. Und die letzten Gondeln zu bergen; allen voran Kabine vierzehn.
Schiregion Kitzbühel, 3S-Bahn, Kabine 14
Samstag, 6. Januar, 11:58 Uhr
Henrik war der Einzige, der sich weder an dem Pokerspiel beteiligte noch neugierige Blicke zu den Spielern warf. Weiterhin wirkte er unbeteiligt, kauerte auf seinem Sitz, starrte abwechselnd auf seine Hände und an die Gondeldecke. Er ließ keine Anstalten erkennen, sich in irgendeiner Form einbringen zu wollen.
Emma rümpfte die Nase. Grundsätzlich hatte sie nichts gegen introvertierte Menschen, aber angesichts ihrer Lage wirkte Henriks Verhalten … falsch. Als versuche er, sich mit aller Macht auf einen Gedanken zu konzentrieren oder von etwas abzulenken. Vielleicht litt er an Klaustrophobie. Vielleicht konnte er nur unter höchster Willensanstrengung verhindern, in Panik auszubrechen. Vielleicht sollte sie ihm beistehen.
„Alles in Ordnung, Henrik?“, fragte sie leise.
Henrik riss den Kopf herum und stierte sie mit seinen trüb glänzenden Augen an. Die Bewegung kam so abrupt, dass Emma zurückzuckte. Nein, dieser Mann war ihr nach wie vor nicht geheuer.
„Henrik?“, wiederholte sie noch leiser.
Der Rothaarige schüttelte den Kopf, als müsste er einen lästigen Gedanken loswerden und wandte sich ab. „Mir geht’s gut“, knurrte er und verschränkte die Arme vor der Brust. Emma fiel auf, dass seine Hände zitterten.
Sie seufzte ergeben. An diesen Typen war einfach nicht ranzukommen. Sollte er doch in seinem eigenen Elend schwelgen, wenn er wollte. Sie hatte genug andere Sorgen. Ihre missliche Lage zum Beispiel.
Emma unterbrach Rüdigers Redeschwall, der soeben die lachmuskelstrapazierende Pointe eines Witzes zum Besten geben wollte, und sagte mit lauter Stimme: „Ich möchte ja kein Spielverderber sein, aber sollten wir nicht versuchen, mit der Außenwelt Kontakt aufzunehmen, damit wir irgendwann mal gerettet werden?“
Das saß. Die allgemeine
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