Kabine 14: Ein Kitzbühel-Thriller (German Edition)
Mund offen. Vor Staunen vergaß sie sogar, auf ihren schmerzenden Bauch zu drücken. „Wie hast du das gemacht?“
Sebastian grinste. „Das ist reine Magie. Wenn du willst, zeige ich dir noch etwas.“ Er warf das gesamte Kartenspiel schwungvoll in die Luft, sodass es einen weiten Bogen beschrieb, und fing es mit der anderen Hand wieder auf – ohne, dass auch nur eine Karte verloren ging.
Samantha verfolgte ehrfurchtsvoll jede von Sebastians Bewegungen. Ihre Augen glühten vor Begeisterung.
Sebastian führte einen Zaubertrick nach dem anderen vor. Von den übrigen Passagieren erntete er ungläubiges Kopfschütteln und anerkennendes Nicken.
Sebastian war wirklich gut, keine Frage. Doris fragte sich, ob er auf anderen Gebieten auch so talentiert war. Zum Beispiel beim Küssen. Doris betrachtete verstohlen Sebastians breite, dominante Lippen. Sie meinte zu wissen, dass Wärme und Behutsamkeit ihrem Wesen entsprachen und dass dahinter eine kräftige, gelenkige Zunge saß. Eine durchaus anregende Vorstellung.
Seilbahn GmbH Kitzbühel, Eingangshalle
Samstag, 6. Januar, 15:05 Uhr
Sie kamen gerade noch rechtzeitig. Die Vertreter der Seilbahn GmbH nahmen soeben vor der Masse aus Pressevertretern und Schaulustigen Aufstellung.
Stefanie Wertens seufzte erleichtert. Es wäre ernüchternd gewesen, wenn sie sich nach dieser horrenden Anfahrt verspätet hätten. Überall tief winterliche Verhältnisse, selbst auf den Autobahnen. Dazu der Sturm, der den Sendewagen mehr als einmal zum Schwanken brachte. Der Fahrer und Kameramann, Ernst Holger, gab der Reise nicht den Anschein eines gemütlichen Ferientrips. Sein Fahrstil war riskant, direkt waghalsig, und er sparte nicht mit sexistischen Kommentaren und erotischen Anspielungen. Immerhin war er nüchtern, was definitiv eine Ausnahme darstellte. Stefanie fragte sich zum wiederholten Mal, weshalb sie den Auftrag des Redaktionschefs angenommen hatte. Sie hätte nein sagen können; hätte nein sagen
müssen
. Dennoch war sie jetzt hier.
Vielleicht hatte es mit ihrer Furcht zu tun, keine Außenaufträge mehr zu erhalten, wenn sie sich fortwährend davor drückte. Vielleicht wollte sie sich selbst beweisen, dass sie dieser Aufgabe gewachsen war. Unter Umständen war ihr Handeln aber bloß von Neugier getrieben; insgeheim wollte sie wissen, wie es ihm nach der Trennung ergangen war. Dem Mann, den sie geliebt hatte wie keinen anderen zuvor. Dem Mann, dem sie ihr Leben anvertraut hätte. Dem Mann, der sie beinahe getötet hätte.
Stefanie straffte die Schultern.
Willkommen in der Höhle des Löwen!
Schiregion Kitzbühel, 3S-Bahn, Kabine 14
Samstag, 6. Januar, 15:35 Uhr
„Alles okay?“, erkundigte sich Raphael und drückte Sonja an sich. Ihm war aufgefallen, dass seine Freundin immer schweigsamer geworden war.
„Ich habe Hunger“, sagte Sonja auf eine Art, die keinen Zweifel an der wahren Bedeutung ihrer Worte ließ.
Raphael riss die Augen auf. „Du hast doch …!“
„Ja, natürlich. Aber nur zwei Stück. Den ersten Müsliriegel habe ich gegessen, als ihr gepokert habt.“
„Was ist mit deinem Notfall-Kit?“
Sonja senkte verlegen den Blick. „Habe ich im Zimmer liegen lassen. Außer dem Müsliriegel habe ich nur ein Stück Traubenzucker dabei.“
Raphael stöhnte auf. Die ganze Zeit hatte er sich Gedanken über sich und seinen Heiratsantrag gemacht. Im Geiste war er sämtliche Alternativen durchgegangen, hatte sich selbst bemitleidet und wieder Hoffnung geschöpft. Dabei war ihm völlig entfallen, dass Sonja mehr von ihm brauchte als sein Liebesgeständnis, silberne Ringe und ein romantisches Candle-Light-Dinner.
Sonja war krank. Im Ernstfall musste er ihr Leben retten können. Doch das konnte er nur, wenn er die erforderlichen Mittel besaß. Und diese lagen wohlbehütet in einer kleinen Schachtel auf dem Zimmer ihrer Pension.
Sonja zog den letzten Müsliriegel aus ihrer Jackentasche und begann, ihn bedächtig kauend zu verzehren. Raphael überschlug in Gedanken die Zeit, die Sonja noch blieb, ehe sich erste körperliche Symptome einstellen würden.
Das Ergebnis gefiel ihm nicht. Ganz und gar nicht.
Seilbahn GmbH Kitzbühel, Eingangshalle
Samstag, 6. Januar, 15:40 Uhr
„Gibt es Fragen?“, erkundigte sich Franz und warf einen Blick in die Runde. Er war nicht überrascht gewesen, als er die Masse an Pressevertretern erblickt hatte. Die bereitgestellten Stühle waren allesamt belegt, einige Personen mussten stehen. Katastrophenmeldungen verbreiteten sich ebenso
Weitere Kostenlose Bücher