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Kabine 14: Ein Kitzbühel-Thriller (German Edition)

Kabine 14: Ein Kitzbühel-Thriller (German Edition)

Titel: Kabine 14: Ein Kitzbühel-Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mortimer M. Müller
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besprochen.
    Als sämtliche Punkte geklärt waren, senkte sich eine eigentümliche Befangenheit auf die Gruppe herab.
    „Wenn ich unsere Erkenntnisse zusammenfassen darf“, hob die Bürgermeisterin an, „dann werden die Fahrgäste die kommende Nacht in der Gondel verbringen müssen, ohne Nahrung, ohne Heizung und ohne Kontakt zur Außenwelt.“
    „Ja.“ Franz’ Gesicht war eine ausdruckslose Maske. „Das werden sie.“

Schiregion Kitzbühel, 3S-Bahn, Kabine 14
Samstag, 6. Januar, 14:45 Uhr
    „Sandra, alles in Ordnung mit dir?“
    Michelle warf ihrer Freundin einen konzentrierten Blick zu. „Sandra?“
    „Mir ist schwindelig“, erwiderte die Angesprochene. Sandras Pupillen waren geweitet, ein blasser Schatten zog sich von ihrer Nasenspitze zu den Wangen.
    Oh nein
, dachte Emma und stieß innerlich ein Seufzen aus.
Nicht noch jemand!
Kurz entschlossen erhob sie sich und setzte sich neben die beiden Teenager.
    „Ich bin Krankenschwester. Vielleicht kann ich dir helfen.“ Sie warf Sandra einen aufmunternden Blick zu. „Was genau fehlt dir?“
    „Ich weiß nicht“, murmelte Sandra. „Mir ist einfach schwindelig. Und frieren tue ich auch.“
    „Ist das alles?“
    „Nein“, entgegnete Sandra beschämt. „Mir ist ein bisschen schlecht.“
    Ein Unglück kommt selten allein
, dachte Emma. Leider trug sie entgegen ihrer gewöhnlichen Umsicht keine Bachblütentropfen bei sich. Nicht nur bei Schwindel und Übelkeit wirkten die Destillate Wunder.
    „Glaubst du, es liegt an deiner Höhenangst?“, erkundigte sich Emma.
    Sandra verneinte. „Ich glaube, es … ist das Schaukeln.“
    Emma nickte verständnisvoll. Das Mädchen litt offenbar an einer Form von Seekrankheit. Eigentlich verwunderlich, dass bei dem ständigen Schwanken der Kabine nicht mehr Fahrgäste betroffen waren.
    „Hast du vielleicht einen Kaugummi?“, fragte Emma. „Das könnte helfen.“
    „Ich habe einen“, meinte Sebastian und reichte Sandra eine grün eingewickelte Kaupastille. „Ist nur ein bisschen scharf.“
    „Danke“, sagte Sandra und schenkte Sebastian ein zartes Lächeln.
    „Könnte ich auch einen haben?“, warf Michelle ein. „Ich fühle ich mich selbst nicht ganz so wohl.“
    „Tut mir leid.“ Sebastian hob entschuldigend die Schultern. „Das war mein letzter.“
    „Es gibt noch andere Möglichkeiten, Übelkeit zu bekämpfen“, sagte Emma. „Ich versuche es immer mit Autosuggestion. Gibt es etwas, was ihr besonders gern macht?“
    „Ich reite, seit ich sechs bin“, sagte Michelle nicht ohne Stolz. „Vor zwei Jahren habe ich mein eigenes Pferd bekommen und es selbst zugeritten.“
    „Ich spiele Geige“, verriet Sandra. „Für mich ist das total entspannend.“
    „Sehr gut.“ Emma lächelte. „Tiere und Musik sind wunderbare Dinge. Seid euch eurer Leidenschaft bewusst. Ich möchte, dass ihr die Augen schließt und euch Folgendes vorstellt: Ihr steht auf einer blühenden Sommerwiese, umgeben von Wald und hohen, schneebedeckten Bergen. In der Mitte der Wiese liegt ein Teich, grünlich schimmernd und glasklar. Es duftet nach Blumen, Harz und frischer Erde. Kleine Insekten summen umher, im Wald zwitschern Vögel, und irgendwo ertönt der Ruf eines Adlers. Ihr steht mit nackten Füßen im Gras, es kitzelt euch an den Fußsohlen. Ihr spürt die Schönheit der Natur, die Symphonie aus Leben. Ihr spürt sie mit all euren Sinnen. Ihr seid völlig ruhig, entspannt und absolut glücklich.“
    Emma registrierte, dass nicht nur Sandra und Michelle die Augen geschlossen hatten und den Worten lauschten. Bloß Henrik wirkte, welch Überraschung, völlig teilnahmslos. Zahlreiche Leute behaupteten, dass Emma ein Talent für das Erzählen von Geschichten besaß. Nicht selten wurde sie auf Festen oder Veranstaltungen gebeten, eine Anekdote, witzige Begebenheit oder einfach fantasievolle Schilderung vorzutragen. Man hatte ihr auch nahegelegt, ein Buch zu schreiben. Bislang hatte sich Emma aber nicht an diese Aufgabe herangewagt. Vielleicht wäre der glückliche Abschluss dieser Höllenfahrt ein geeigneter Zeitpunkt dafür.
    „Danke“, sagte Sandra und lächelte. Ihr Gesicht gewann allmählich an Farbe, ihre versteifte Halsmuskulatur entspannte sich. „Das hat wirklich geholfen.“
    „Gern geschehen“, erwiderte Emma und beschloss, nicht auf ihren alten Sitzplatz zurückzukehren. Auf diese Weise blieb ihr nämlich ein unerfreulicher Anblick erspart: Henriks griesgrämiger Gesichtsausdruck.

Seilbahn GmbH Kitzbühel,

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