Kabine 14: Ein Kitzbühel-Thriller (German Edition)
Benjamin ein. „Der Streckenverlauf der Dreiseilumlaufbahn verläuft über ein nach Nordosten gerichtetes Tal und dann einen Südosthang empor. Sollte der Wind dort nicht schwächer ausfallen?“
„Das wäre möglich“, bestätigte Andreas. „Meine Erläuterungen sind auch nur eine grobe Einschätzung. Durchaus denkbar, dass der Hang durch die Anströmrichtung begünstigt ist. Das müsste man sich vor Ort ansehen oder die Messwerte analysieren, falls es aus dem Gebiet meteorologische Daten gibt.“
„Wenn wir davon ausgehen, dass die höchsten Windgeschwindigkeiten auch im Bereich der 3S-Bahn möglich sind“, ergriff Franz das Wort, „was wäre dann der früheste Zeitpunkt, an dem die Spitzenböen unter einhundertzehn Stundenkilometer sinken?“
Andreas betrachtete mehrere Wettermodellkarten, verglich die prognostizierten Werte und schätzte die tatsächlich auftretenden Böen. „Wie es derzeit aussieht, wird das nicht vor morgen früh sein.“
Schiregion Kitzbühel, 3S-Bahn, Kabine 14
Samstag, 6. Januar, 14:30 Uhr
„Wie lange bist du schon Pastor?“
Die Gespräche kamen nur schleppend wieder in Gang. Der unangenehme Geruch hatte sich verzogen, eine fröhlichere Stimmung war dadurch nicht aufgekommen. Emma störte dies wenig. Tatsächlich tat ein angespanntes Ambiente ihrer Gelassenheit keinen Abbruch. Womöglich lag dies an ihrer Zeit im Schockraum. Wer dort in Akutsituationen keinen klaren Kopf behielt, blieb nicht lange dort.
Martin wandte sich Rüdiger zu. „Seit knapp zwanzig Jahren. Bevor ich nach Rüti gekommen bin, war ich in Bludenz, später Ulm, danach Augsburg und Reutlingen.“
„Sehr umtriebig, will ich meinen“, sagte Rüdiger und grinste. Er rieb seine Handschuhe aneinander und zog fröstelnd die Schultern hoch. „Weshalb diese häufigen Ortswechsel?“
„Ich habe es nie lange in einer Stadt ausgehalten. Vor allem kam nie das erhoffte Heimatgefühl auf. Erst jetzt in Rüti fühle ich mich wohl.“
Wahrscheinlich haben sie dich wegen deiner Augen davongejagt
, argwöhnte Emma. Die intensive hellblaue Färbung von Martins Iris war, gelinde gesagt, beeindruckend. Jedes Mal, wenn Emma seinem Blick begegnete, lief ihr ein kühler Schauer den Nacken hinab.
„Was macht deine Apotheke in Bozen?“, erkundigte sich Martin.
„Meran“, korrigierte Rüdiger. „Das Geschäft könnte kaum besser laufen. Du weißt doch, die Leiden werden immer heilbarer, die Leute kränker und die Medikamente teurer.“
Die beiden Männer lachten leise.
„Bist du weiterhin an der Uni als Dozent tätig?“, fragte Martin.
„In Bozen, ja. Aber nur noch sporadisch, man wird auch nicht jünger.“
Rüdiger zwinkerte Emma zu. Ein wenig beschämt senkte sie den Blick. Ihr war erst jetzt aufgefallen, dass sie das Gespräch mehr als offensichtlich belauschte.
„Wie bist du eigentlich nach Kitzbühel gekommen?“, fragte Rüdiger, an den Pastor gewandt. „Direkt aus der Schweiz?“
„Nein.“ Martin schüttelte den Kopf. „Ich war auf einem Priesterseminar in Salzburg. Bei der Rückfahrt habe ich mich spontan entschlossen, über Österreich zu fahren und in Kitzbühel einen Zwischenstopp einzulegen. Das Wochenende habe ich frei, und da wollte ich meiner geheimen Leidenschaft frönen.“ Ein verschmitztes Grinsen erschien auf seinen Zügen.
„Geheime Leidenschaften sind in der Kirche doch verboten“, sagte Rüdiger in gespielter Empörung.
„Nicht in der evangelischen.“
Seilbahn GmbH Kitzbühel, Besprechungsraum
Samstag, 6. Januar, 14:40 Uhr
Die Diskussionen begannen sich im Kreis zu drehen. Es gab weder neue Einsichten noch Vorschläge, die behandelt werden konnten. Zwar waren einige abenteuerliche Ideen zur Rettung der eingeschlossenen Fahrgäste aufgekommen, sie alle scheiterten letztlich an der Durchführbarkeit. Nach Überprüfung der gemessenen Windspitzen im Bereich der 3S-Bahn kam man zu dem Schluss, dass trotz der windgeschützten Lage weitere Orkanböen auftreten würden. Somit war an einen Einsatz des Bergewagens, selbst bei erfolgreicher Reparatur, nicht zu denken.
Die Bodenüberwachung der Gondel sollte indessen fortgeführt werden. Auch wollte man hinsichtlich des zusammengebrochenen Mobilfunknetzes bei den Betreibern intervenieren, um rasch wieder eine Handynutzung zu ermöglichen. Ferner wurde ein Kriseninterventionsteam zusammengestellt, das sich um die Angehörigen der Passagiere in Kabine vierzehn kümmern sollte. Zuletzt wurde die Vorgehensweise bei der Pressekonferenz
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