Kabine 14: Ein Kitzbühel-Thriller (German Edition)
Namen genannt hatte.
Franz öffnete sein Mailprogramm und sandte Stefanie das Dokument an die auf der Visitenkarte angegebene E-Mail-Adresse. Insgeheim fragte er sich, wie sie wohl reagieren würde, wenn er persönlich in ihrem Hotel vorbeikam und sie sprechen wollte. Vermutlich wäre sie nicht besonders angetan.
Das Telefon läutete. Irritiert starrte Franz auf den weißen Apparat am Ende des Tisches. Er hatte die Sekretärin angewiesen, nur absolut dringende Gespräche zu ihm durchzustellen. Das konnte nichts Gutes bedeuten.
„Franz Reiter.“
„Volker hier“, erklang eine Stimme. Sogleich wusste Franz, dass die Angelegenheit ernst war. Todernst. Volker war Leiter des Aufsichtsrats und in gewissem Sinne sein Vorgesetzter. „Ich werde mich kurz fassen, Franz, weil ich weiß, dass du keine langen Vorreden magst.“
Franz blieb stumm.
„Die Angelegenheit mit den eingeschlossenen Passagieren ist heikel. Es hätte nie zu einer Situation kommen dürfen, bei der Fahrgäste eine ganze Nacht in einer Seilbahngondel eingesperrt sind. Ich brauche wohl nicht zu erwähnen, dass auch wir immensem Druck ausgesetzt sind. Wir haben beschlossen, den Ausgang dieses Zwischenfalls an deine Position zu knüpfen. Das heißt, wenn alles gutgeht und die Passagiere morgen Vormittag wohlbehalten aus ihrem Gefängnis befreit werden können, bleibt alles wie gehabt. Falls aber nur eine Winzigkeit schiefgeht, sich die Bergung verzögert oder weitere Personen zu Schaden kommen, dann ist es aus. Dann musst du gehen. Auf der Stelle.“
Schiregion Kitzbühel, 3S-Bahn, Kabine 14
Samstag, 6. Januar, 17:15 Uhr
Ihre Ausbeute an Schnee war unter den Erwartungen geblieben. Bis auf Henrik hatten alle Männer ihr Glück versucht, auch Raphael; aber nachdem Doris’ Schihelm durch eine heftige Böe vom Stecken gerissen worden war, hatte man entschieden, dass es zwecklos war weiterzumachen. Stirnrunzelnd blickten sie auf die etwa kopfgroße Menge Schnee, die sie in Sebastians Helm gesammelt hatten.
„Wenn das geschmolzen ist“, meinte Sebastian, „ergibt es maximal einen Liter.“
„Bleibt die Frage,
wie
wir es schmelzen“, sagte Matteo.
„Stimmt.“ Raphael nickte. „Das wird nicht klappen.“
„Macht doch nichts“, kam es von Rüdiger. „Wir stellen uns beim Lutschen einfach vor, es ist feinste Eiscreme.“
„Da fehlt bloß der Geschmack“, knurrte Matteo.
Raphael war durstig. Zweifelsohne war er damit nicht allein. Seine Halbliterflasche war noch zur Hälfte gefüllt. Aber diesen Vorrat wollte er erst anrühren, wenn das Verlangen nach Wasser unerträglich wurde. Auch hatte er vor, den Großteil des Inhalts Sonja zu überlassen – selbst wenn sie, wie zu erwarten, heftig protestieren sollte.
„Wie teilen wir?“, fragte Sebastian.
„Gar nicht“, meinte Rüdiger. „Zumindest nicht unter uns. Mein Vorschlag: Wir gehen wie bei der Havarie eines Schiffes vor – Frauen und Kinder zuerst.“
„Einverstanden.“ Die anderen vier nickten.
„Also dann.“ Rüdiger wandte sich an die Damen in der Kabine. Raphael war sich nicht sicher, ob in seinem breiten Grinsen nicht eine winzige Spur von Schadenfreude lag. „Wer von euch möchte den ersten Happen?“
Kitzbühel, Altstadt
Samstag, 6. Januar, 17:20 Uhr
„Wia is g’laffn? Hobt’s eppas dagnaist?“
Bernhards verständnisloser Blick ließ Arthur rasch hinzufügen: „Wie ist die Befragung verlaufen?“
„Mittelmäßig“, entgegnete Bernhard und kletterte mit Anna auf die Rückbank des Wagens. „Wir haben nur eine Person angetroffen, die etwas gesehen haben will.“
„Also keine hilfreichen Informationen?“
„Nicht wirklich. Aber über Details dürfen wir nicht …“
„Schon gut, schon gut.“ Arthur winkte ab. „Ich wollte nicht aufdringlich wirken. Der Bezirksinspektor hat uns angewiesen, euch vorbehaltlos Unterstützung zukommen zu lassen. Gewissermaßen sind wir jetzt euch unterstellt.“ Er grinste humorlos. „Also können wir irgendwie helfen?“
Bernhard warf Anna einen schiefen Blick zu, den diese mit einem Verdrehen der Augen kommentierte. Vermutlich hatte Mathias bei den österreichischen Behörden interveniert, um ihnen größtmögliche Unterstützung sicherzustellen. Bernhard war Gegner einer solchen Maßnahme. Dadurch bekamen mehr Personen Wind von der Sache als für verdeckte Ermittlungen zielführend war. Nichtsdestotrotz konnte der personelle Beistand eine Arbeitserleichterung bedeuten.
„Ja, ich glaube schon“, erwiderte Bernhard.
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