Kabine 14: Ein Kitzbühel-Thriller (German Edition)
seinen Fingern auf. „Keine Ahnung, was das ist.“
„Lass sehen“, sagte Matteo und beugte sich zu Martin hinüber. „Sieht nach einem Stückchen Styropor aus.“
Kitzbühel, Hotel Resch
Samstag, 6. Januar, 17:35 Uhr
Es war gar nicht so einfach gewesen, eine Unterkunft zu finden. Da das Mobilfunknetz ausgefallen war, mussten sie die Herbergen einzeln abklappern. Durch die Urlaubszeit waren die meisten Hotels ausgebucht, erst bei ihrer vierten Anfrage hatten sie Glück.
Stefanie nahm zwei Einzelzimmer, woraufhin ihr ein typischer Ernst-Holger-Kommentar nicht erspart blieb. „Hätt‘ nix dagegen, wennst mich in der Nacht besuchen kommst“, feixte er. „Hab auch immer ’nen Gummi dabei.“
Stefanie ignorierte ihn, verzog sich in ihr Zimmer und drehte sicherheitshalber zweimal den Schlüssel im Schloss. Bei Ernst konnte man nie wissen. Ihm würde sie zutrauen, dass er sich gewaltsam Zutritt verschaffte und über sie herfiel.
Stefanie richtete sich einen improvisierten Arbeitsplatz ein, bestehend aus Notebook, Multifunktionsdrucker und Tonaufnahmegerät. Glücklicherweise besaß das Hotel eine Internet-Standleitung. Die Telefonverbindungen waren nicht beeinträchtigt, was bei den verbreiteten Sturmschäden befremdlich anmutete. Aber vermutlich waren die Leitungen in der Gegend unterirdisch verlegt.
Bereits auf der Fahrt zum Hotel hatte sie ihren Bruder angerufen. Zu spät war ihr eingefallen, dass sie sich per Mobiltelefon lange bemühen konnte. Über den Fernsprechapparat im Zimmer versuchte sie es in seiner Wohnung in St. Johann. Der Anruf wurde nicht entgegengenommen. Auch eine Verbindung auf sein Handy war nicht möglich. Stefanie prüfte die verschiedenen Optionen, aber erfolgversprechend war nur eine: So wenig es sie freute, doch sie musste ein weiteres Mal mit Franz reden. Er würde wissen, wo sie ihren Bruder finden konnte. Aber nicht nur deshalb sollte sie mit ihm sprechen; auch wegen der Sache vor drei Jahren. Seit ihrem Zusammentreffen mit Franz legten sich die Erinnerungen fortwährend über ihre Gedanken, blockierten sie wie ein dichtmaschiges Netz einen Schwarm Fische. Sie musste ihm ihr Geheimnis anvertrauen. Persönlich, unter vier Augen. Dummerweise kannte sie die Anschrift seiner Wohnung in Kitzbühel nicht. Entschlossen griff sie nach dem Hörer des Zimmertelefons und wählte eine Nummer, die sie inzwischen auswendig kannte. Eine verschlafen klingende Männerstimme meldete sich.
„Hallo, Marcel, Stefanie hier. Ich bräuchte ganz dringend eine kitzekleine Auskunft von dir.“
Ein mitleiderregendes Stöhnen war die Antwort. „Weißt du, ich habe eigentlich verdammt viel zu tun. Könntest du nicht …“
„Bitte.“
„Na gut.“ Marcel seufzte ergeben. „Was brauchst du?“
„Die Adresse einer Wohnung in Kitzbühel, Tirol.“
„Name des Mieters?“
„Franz Reiter.“
Seilbahn GmbH Kitzbühel, Besprechungsraum
Samstag, 6. Januar, 17:45 Uhr
Andreas war angenehm überrascht: Die neuen Läufe der Wettermodelle zeigten ein einheitliches Bild. Besonders im Bereich der Kurzfristprognose, also im Zeitraum der kommenden achtundvierzig Stunden, waren die Korrelationen zwischen den Modellen außergewöhnlich gut. Das heutige Orkantief und dessen Ausläufer waren nicht einheitlich erfasst worden, was sich in der gestrigen Fehlprognose offenbart hatte. Doch jetzt schien alles anders, eindeutiger. Die Modelle waren einer Meinung, dass es morgen Vormittag zu einer vorübergehenden Abschwächung des Sturms kommen würde. Selbst im Gipfelniveau sollten die Spitzenböen unter einhundert Stundenkilometer liegen und der Schneefall nachlassen. Gegen Mittag würden Niederschlag und Wind an Intensität zulegen. Spätestens in den Abendstunden könnte es erneut Orkanböen geben. Daneben gab es einen Unterschied zu den vorherigen Modellrechnungen: Der Niederschlag war, ebenfalls in sämtlichen Wettermodellen, hinaufgeschraubt worden, vor allem in der kommenden Nacht. In Lagen über eintausend Meter konnten die Neuschneemengen um ein Drittel höher ausfallen, als Andreas vor einigen Stunden prognostiziert hatte.
Er überlegte, ob er den Betriebsleiter über die Veränderungen informieren sollte, entschied sich aber dagegen. Seine Vorhersage der windschwächeren Phase morgen Vormittag dürfte eintreffen, damit gab es keine Änderungen in der Rettungsplanung. Ob zwanzig Zentimeter mehr oder weniger Schnee lagen, war nicht relevant. Höchstens für die Lawinengefahr. Aber die würde er sich morgen
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