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Kabine 14: Ein Kitzbühel-Thriller (German Edition)

Kabine 14: Ein Kitzbühel-Thriller (German Edition)

Titel: Kabine 14: Ein Kitzbühel-Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mortimer M. Müller
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Sekunde. Franz entging es nicht.
Ist ihr neues Selbstbewusstsein nur eine Maske?
, dachte er.
Verheimlicht sie mir etwas?
    Stefanie erhob sich so abrupt von ihrem Stuhl, dass Franz zurückwich. „Ich will, dass du mir eine schriftliche Zusammenfassung per Mail zukommen lässt, samt Daten der Passagiere. Hier.“ Sie knallte eine Visitenkarte auf den Tisch und wandte sich zum Gehen. „Wir bleiben über Nacht in Kitzbühel. Ich will die Infos bis neunzehn Uhr.“
    Mit diesen Worten stürmte sie aus dem Büro.

Kitzbühel, Altstadt
Samstag, 6. Januar, 16:30 Uhr
    „Also, Sie haben gesehen, wer aus dem Wagen gestiegen ist?“, vergewisserte sich Bernhard und zog seinen Notizblock hervor.
    „Ja, ja“, bestätigte die ältere Dame, hob ihren Gehstock und deutete damit auf eine Sitzbank am Rand einer schneebedeckten Grünfläche, die von den glimmenden Straßenlaternen nur unzureichend erhellt wurde. „Nach dem Mittagessen sitze ich immer dort. Habe gesehen, wie der Wagen gehalten hat und ein Mann ausgestiegen ist.“
    „Können Sie sagen, wann das ungefähr war?“
    „Ich glaube, es war der Donnerstag. Muss gegen eins am Nachmittag gewesen sein.“
    „Wie sah der Mann aus?“
    „War ziemlich groß, fast ein Riese.“ Bernhard warf der Dame einen zweifelnden Blick zu. Die Rentnerin war klein gewesen, höchstens ein Meter fünfzig groß. Für sie musste wohl jeder Mann wie ein Riese wirken.
    „Können Sie sich an irgendwelche auffälligen Merkmale des Mannes erinnern?“, erkundigte sich Bernhard.
    Die alte Dame überlegte einen Moment. „Nein. Aber er war sehr in Eile, hatte eine Tragetasche über der Schulter und ist in diese Richtung davongegangen.“ Sie deutete die Straße hinab.
    Bernhard nickte und machte sich eine Notiz. „Falls Ihnen noch etwas einfällt“, sagte er und reichte der Frau seine Karte, „rufen Sie mich bitte an.“
    Die alte Dame nickte, die Stirn in solch tiefe Falten gelegt, dass es aussah wie Wellpappe. Bernhard wandte sich um und wollte aus der Hauseinfahrt in den Schneesturm treten, als ihn die Frau zurückrief. „Einen Moment“, sagte sie. „Ich erinnere mich wieder.“
    „Ja?“
    „Seine Augen. Sie waren unnatürlich blau, richtig strahlend. Haben ausgesehen wie blitzende Sterne.“

Schiregion Kitzbühel, 3S-Bahn, Kabine 14
Samstag, 6. Januar, 16:30 Uhr
    Alle bemühten sich, Henrik noch mehr zu ignorieren als zuvor. Das war grundsätzlich nicht schwer. Nach seiner unerwarteten Frage und der Feststellung, dass keiner der Anwesenden Alkohol bei sich trug, war Henrik erneut in sein Wachkoma zurückgefallen. Emma vermutete, dass der Rothaarige bereits erhebliche Entzugssymptome verspürte. Äußerlich ließen das vermehrte Zittern seiner Hände und gelegentliche Zuckungen seiner Gesichtsmuskeln darauf schließen.
    Emmas Mitleid hielt sich in Grenzen. Eine ihrer Freundinnen hatte einen Alkoholiker als Freund gehabt, der sie regelmäßig verprügelte. Auch ihre eigenen Erfahrungen – privat wie dienstlich – waren fast durchwegs negativer Natur. Säufer waren in gleichem Maße unberechenbar und gefährlich wie Drogensüchtige. Für ihre tägliche Dosis taten sie alles, schreckten nicht vor Lüge, Diebstahl und Gewalt zurück.
    Freilich gab es Ausnahmen. Vor Jahren hatte sie auf der Onkologie von einem krebskranken Alkoholiker ein Diamantenkollier geschenkt bekommen, weil sie ihn, laut seiner Aussage, so liebevoll gepflegt hatte. Eine Woche später war der Mann gestorben, die Kette besaß sie immer noch.
    Emma warf einen Blick aus dem Fenster. Ohne die Displaybeleuchtungen der Mobiltelefone, die links und rechts von ihr aufleuchteten, wäre es in der Kabine mittlerweile stockdunkel gewesen. Laut Matteo ging der abnehmende Halbmond erst kurz vor Mitternacht auf, was allerdings durch die Wolkendecke und den starken Schneefall zu kaum mehr Helligkeit führen würde.
    Emma forschte in ihrem Inneren, aber im Moment empfand sie weder Furcht noch Verunsicherung hinsichtlich der kommenden Stunden. Wenn sie bis jetzt mit der Situation klargekommen war, würde sie das auch noch in zwölf Stunden. Gut, sie saßen hier in der schwankenden Gondel fest, aber immerhin waren sie vor dem Wind geschützt, hatten durch den Schnee Zugang zu Wasser und einen, wenn auch behelfsmäßigen, Abort für ihre Notdurft. Auch die Kälte war bislang erträglich. Also, was konnte schon groß passieren, außer einer schlaflosen Nacht in luftiger Höhe?

Seilbahn GmbH Kitzbühel, Eingangsbereich
Samstag, 6.

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