Käfersterben
mir.«
Die letzten Worte musste sie schreien. Die Irish Brothers legten los. Katinka verabschiedete sich, brachte die Tassen zurück und stellte sich an, um ihren Wahlschein für die Misswahl abzuholen. Man stempelte ihr einen stilisierten Weißwandreifen mit Felge auf den Handrücken und überreichte ihr die Karte. »Wir wollen doch, dass jeder nur eine Stimme hat«, sagte das Mädchen hinter dem Klapptisch.
Katinka spazierte auf der Suche nach dem Youngtimer ihrer Wahl über den Parkplatz. Ein traurig-rostiger Simca, in aggressivem Orange gestrichen, erregte ihr Mitleid. Sie notierte ›Simca 1307 ‹ auf ihrer Karte und schrieb das amtliche Kennzeichen dazu. Ein Windstoß riss ihr beinahe den Schein aus der Hand. Sie warf ihn in eine der bereitstehenden Urnen. Das Wetter wurde ungemütlich, es wurde Zeit, dass die Veranstaltung zum Ende kam. Die Musik der Band trieb in akustischen Schwaden über den Parkplatz. Katinka schloss ihr Auto auf und machte es sich auf dem Fahrersitz bequem. Sie musste bleiben, bis die Misswahl beendet war, damit Britta ihren Artikel schreiben konnte. Absurde Aktion, dachte sie. Die Organisatoren leerten umständlich die Urnen und begannen, die Wahlkarten auszuzählen. Immer wieder wirbelten welche davon und mussten unter Gejohle eingefangen werden. Erste Regentropfen fielen. Die Organisatoren zählten in aller Eile. Endlich betrat Hansi Schmidt die Bühne. Die Irish Brothers versuchten sich an einem Tusch und reichten ihm ein Mikrophon. Hektischer Applaus. Die Besucher zogen sich Kapuzen in die Stirn und spannten Schirme auf. Katinka stieg aus, um alles mitzukriegen.
»… Winner is …«, er machte ein paar Verrenkungen, als hielte er sich für Sophia Loren, »… Ford Granada!«
Katinka musste grinsen. Sein eigener Wagen! Sie rannte durch den Regen zu dem schokobraunen Auto und wartete, bis die Meute der Organisatoren mit einem Kranz ankam, um ihn dem Ford auf die Windschutzscheibe zu legen.
»Wie kommt es, dass Ihr Auto gewinnt?«, rief sie Hansi Schmidt zu.
Er sah sie vergnatzt an.
»Kommen Sie mir jetzt nicht damit, dass ich die Wahl getürkt hätte«, sagte er unfreundlich.
»Keineswegs«, gab Katinka zurück. »Im Gegenteil: Ich gratuliere Ihnen.«
Schmidt schnaubte. Die Misswahl schien ihm keine Freude mehr zu machen. Er klopfte seinem Granada aufs Dach. Katinka ging am Heck des Autos vorbei. Ein Aufkleber stach ihr ins Auge: Ein Kerl mit einem Visier und einem langen, geschlitzten Rock war darauf abgebildet, ein Schwert in der Hand. Samurai-Studio stand in asiatisch inspirierten Buchstaben darunter, außerdem die Adresse eines Studios am Berliner Ring in Bamberg. Katinka starrte eine Weile darauf. Es schien ihr zu unwahrscheinlich. Hansi Schmidt, der einen Narren an seinem alten Ford gefressen hatte, bohrte Schwerter in Cabrios?
Platzregen setzte ein. Katinka machte, dass sie zum Auto kam. Als sie auf den Fahrersitz hechtete, war ihre Jacke schon patschnass. Das Haar klebte ihr in der Stirn. Der Motor ließ sich nach drei Versuchen dazu herab, anzuspringen. Katinka steuerte den Berg hinunter auf Scheßlitz zu.
Während die Scheibenwischer auf höchster Stufe schufteten, stellte sie das Radio an. Es war noch nicht einmal fünf. Das schlechte Wetter hatte die Veranstaltung abgekürzt. Umso besser, dachte Katinka. Sie beneidete Britta nicht darum, ständig auf Festen dieser Art aufkreuzen zu müssen. Kein Wunder, dass sie sauer war, auch noch am Wochenende ins Rennen geschickt zu werden, selbst wenn sie sich den Tausch mit dem Freelancer selbst eingebrockt hatte.
Katinka beschloss, nicht auf direktem Wege nach Bamberg zu fahren. Es machte ihr Spaß, sich von Dorf zu Dorf treiben zu lassen. Britta würde ohnehin noch mit ihrer Verabredung beschäftigt sein, und außerdem hatte sie Katinka versichert, den Misswahl-Artikel in 20 Minuten zu schmeißen. »Einen Zweispalter, mehr kriegen die nicht«, hatte sie schnippisch gesagt.
Katinka blinzelte angestrengt auf die Straße. Der Regen warf Blasen auf dem Asphalt, der Trommelwirbel auf der Windschutzscheibe traf mitten in ihren Kopf und lockte die vielen verwickelten, verknoteten Fäden ins Bewusstsein. Katinka trat aufs Gas, als könne sie die lästigen Anfechtungen auf diese Weise loswerden, geriet in einer Kurve ins Rutschen. Sie hätte schwören können, dass der Mercedes direkt vor ihr aus dem Boden gewachsen war. Der Fahrer blendete auf. Katinka steuerte nach rechts. Das Auto schleuderte einmal um seine eigene Achse
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