Käfersterben
Zimmer um sie schwanke wie bei einem Erdbeben.
Am frühen Nachmittag benötigte sie einige Zündschlüsseldrehungen und die passende Wortwahl, um den Fiesta in Gang zu kriegen. Sie fuhr über die A 70 Richtung Bayreuth und verließ die Autobahn bei der Ausfahrt Scheßlitz. Der Ort lag sonntäglich verlassen da. Einige Vorsichtige hatten sich mit einem Regenschirm ausgerüstet auf die Straße gewagt. Dunkelgraue Wolken wurden von einem kalten, böigen Wind über den Himmel getrieben.
Sie durchquerte den Ort und folgte den Schildern Richtung Giechburg. Britta hatte ihr die Lage des Parkplatzes, wo das Youngtimer-Treffen stattfand, genau beschrieben.
»Wenn du Sperenzchen machst, lasse ich dich gleich hier«, drohte sie Toms Auto, stellte den Motor ab und stieg aus. Besonders viele Besucher hatten sich nicht von der Misswahl anlocken lassen. Sie fragte einen Typen mit einem Youngtimer-Sticker am Revers nach dem Organisator.
»Das macht Hansi Schmidt. Ich sage ihm Bescheid.«
Während Katinka wartete, schoss sie ein paar Fotos von den Wagen als Anschauungsmaterial für Britta. Die Formen erinnerten sie allesamt an ihre Kindheit: lang und ausladend oder plump, wie fahrende Brotkästen. Einige Exemplare machten einen verlotterten Eindruck, als wollten ihre Besitzer späte Rache an den Vehikeln ihrer Väter üben. Andere dagegen hatte man hingebungsvoll auf Hochglanz gewienert. Gehäkelte Klopapierhüllen, Dackel mit Wackelköpfen und Kissen, bestickt mit dem Autokennzeichen, lümmelten auf Rückbänken und Hutablagen.
»Na, gefallen sie Ihnen?«
Ein Mann kletterte aus einem schokoladenbraunen Ford Granada. Der Wagen schaukelte vor und zurück.
»Kann man so sagen. Sie sind Hansi Schmidt?«
Er trug Jeans, Cowboystiefel und ein schneeweißes Hemd.
»Persönlich. Ich habe schon gehört, dass Sie vertretungsweise kommen. Tja, wir haben auf besseres Wetter gehofft. Schafskälte. Ganz schöner Mist. Und hoffentlich fällt unsere Misswahl nicht ins Wasser.«
Er besorgte ein Programmheft für Katinka und wies auf eine Bühne am Ende des Parkplatzes. Ein paar Typen bauten Mikros und Verstärker auf und verlegten Kabel.
»Das sind die Irish Brothers. Spielen heute auf. Begleiten die Misswahl. Kommen Sie, ich zeige Ihnen die Favoriten.«
Während sie von Wagen zu Wagen gingen, hatte Katinka den Eindruck, dass die Cowboystiefel Hansi Schmidts Zehen drückten.
»Hier!« Er streichelte über die Karosserie eines Alfa 90. »Autos, die den Namen eigentlich nicht verdienen. Ihre Motoren hören sich an wie eine elektrische Kaffeemaschine beim Zermahlen von Kastanien.«
»Was fasziniert Sie denn an den Youngtimern?«, wollte Katinka wissen.
»Der Reiz des Vergänglichen«, sagte er sofort, als hätte er für diese Frage geübt. »Ihr Esprit. Die Design-Revolution. Und das Feeling.« Er führte Katinka zu einem 2CV am Ende der Reihe. »Diese reizende ältere Dame ist meine Favoritin für die Misswahl. Kaufen Sie sich ein Baguette und einen billigen Rotwein in einer Korbflasche. Steigen Sie ein, starten Sie den Motor. Und Sie sind in Frankreich.«
Katinka stellte ihm noch ein paar Fragen, von denen sie hoffte, dass sie intelligent und journalistisch genug klangen. Am Schluss sagte sie: »Ist in Ihrem Organisationsteam ein junger Mann namens York?«
Ich bin neugierig, gab sie vor sich selbst zu.
»York? Wie New York? Nicht, dass ich wüsste. Warum?«
»Kennen Sie sonst jemanden, der so heißt?«
»Nein. Wer ist das?«
»Nicht wichtig«, sagte Katinka.
Jemand rief nach Hansi Schmidt.
»Ich muss weiter«, sagte er. »Wir haben noch ein paar Dinge zu arrangieren. Aber wenn Sie noch etwas brauchen, wenden Sie sich an mich. Oder an jeden anderen Mitarbeiter. Und machen Sie bei der Misswahl mit! Wahlscheine bekommen Sie dahinten, bei dem grünen Sonnenschirm.«
Katinka bedankte sich und schlenderte herum. Währenddessen schrieb sie die nötigen Stichpunkte für Britta auf.
»Ach, die Frau Detektivin. Aber hallo.«
Erschrocken sah sie auf. Vor ihr stand ein gutaussehender Mann mittleren Alters im Anzug, die dunklen Haare kurz geschnitten, den Bart auf italienische Länge getrimmt.
»Kennen Sie mich nicht mehr?«
Katinka kramte in ihrem Gedächtnis.
»Ich komme drauf, in den nächsten ein bis zwei Stunden«, sagte sie.
Er lachte. »Georg Krüppmann. Wir hatten vor einem Jahr mal das Vergnügen. Sie besahen sich meine Autos – in Begleitung einer entzückenden jungen Dame.«
»Mir geht eine Glühbirne auf. Sie sind
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