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Käfersterben

Käfersterben

Titel: Käfersterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F Schmöe
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Mutter, stellte sie das Auto im Anwohnerbereich ab und trabte über die Straße. Die Zeitung lag wie immer auf der Treppe. Katinka schloss die Wohnung auf und ging hinein. Soviel also zu der Idee, Urlaub zu machen, dachte sie. In der leeren und stillen Wohnung spürte sie der Traurigkeit über das unerwartete Alleinsein, das zerstörte Wochenende nach. Natürlich schob sie nicht Tom den Schwarzen Peter für diese Sache zu, im Gegenteil, sie empfand tiefes Mitleid und sehnte sich nach ihm, stellte sich vor, wie er in vier Stunden am Bahnhof Zoo ankäme, in die Klinik fuhr, sich vor dem fürchtete, was ihn dort erwartete. Jetzt bedauerte sie, nicht mitgefahren zu sein. Es mag alles nochmal aufzufangen sein, dachte Katinka. Aber sie wusste genau, dass auch das Gegenteil zutreffen könnte. Seine Mutter mochte von heute auf morgen ein Pflegefall werden oder gar sterben. Katinka fragte sich, wie sie dann weitermachen würden. Ob Tom zurück nach Berlin ziehen würde. Britta hatte sie vor kurzem gefragt, weshalb sie und Tom eigentlich nicht heirateten. Nicht einmal davon redeten. Nichts planten. Katinka würde im September dreißig, Tom war zwei Jahre älter. Britta fand, dass man ab der 3 vor der zweiten Zahl mal näher wissen sollte, wie man weiter vorging.
    »Ihr lebt in den Tag hinein, als könnte alles immer so beschaulich bleiben«, hatte sie gemahnt. »So eine Beziehung ist Schwerstarbeit. Man braucht klare Grundlagen.«
    Katinka schnaubte. Britta hatte gut reden. Sie lebte von einer lockeren Beziehung zur nächsten, genoss die glücklichen Momente, betrog auch mal einen Lebensabschnittsgefährten mit einem anderen Mann, wenn ihr der nur attraktiv oder exotisch genug schien. Nun war sie allerdings bereits mehr als zwölf Monate so gut wie durchgehend mit ihrem Journalistenkollegen Alban Hanke zusammen. Vielleicht plant sie was, dachte Katinka, während sie die wenigen Frühstücksreste aufräumte. Vielleicht heiratet sie Alban. Selbstverständlich gibt es dann eine gigantisch inszenierte, glamourmäßige, absolut stilsichere Hochzeitsfeier. Insgeheim bewunderte Katinka den Geschmack ihrer Freundin, wenn sie sich auch mittlerweile damit abgefunden hatte, einen anderen Typ Frau zu repräsentieren: den Kumpel, nicht den Vamp. Aber wenigstens auch nicht das Lieschen, dachte Katinka, grinste und schlug die Zeitung auf.
    Mysteriöse ›Käfer-Morde‹ in Bamberg – Bisher schon zwei Cabriolets erdolcht
    Katinka überflog Brittas Artikel. Die Quintessenz war, dass die Polizei noch keine heiße Spur hatte, jedoch Verbindungen zum aktuellen Youngtimer-Treffen in Bamberg vermutete.
    Youngtimer, dachte Katinka, was sind denn Youngtimer. Sie fand die Antwort auf der folgenden Seite.
    Einst Papas ganzer Stolz – Youngtimer-Bewegung hegt und pflegt die Autogeneration von den späten Sechzigern bis zu den frühen Achtzigern.
    Zum ersten Mal hörte sie davon, dass sich in der Youngtimer-Szene Leute zusammengefunden hatten, die die Automodelle der Vätergeneration restaurierten. Manche von ihnen Schickimickis, die den Trend zum älteren Auto zur Mode machen wollten, andere wieder Liebhaber mit schmalem Geldbeutel, deren Herzen für den Opel Olympia oder den Ford Granada schlugen, möglichst garniert mit Häkelmütze und besticktem Sofakissen auf der Hutablage. Katinka musste grinsen, als sie die Fotos studierte. Die eckigen Formen der Autos waren ihr noch seltsam vertraut. Wenn sie als Kind ein Auto gezeichnet hatte, dann sah es aus wie eine Schuhschachtel auf Rädern. Während sie sich einen frischen Kaffee aufbrühte, dachte sie darüber nach, in welchem Zusammenhang die Youngtimer-Freaks mit den Käfermorden stehen konnten. Autofans, die Autos zerstörten? Noch dazu den Käfer, Sinnbild des unbeschwerten Lebens im Wohlstand, der gleichzeitig als alter Kumpan des Menschen gesehen wurde, zumal seit den Herbie-Filmen? Oder ging es genau darum? Ein Symbol für das Wirtschaftswunder zu ›ermorden‹? Warum die teuren Schwerter? Gab es wildgewordene Samurais in der Stadt, die, statt Harakiri zu begehen, Cabrios erdolchten? Wozu so eine aufwändige Beschädigung? Bei Autos genügte es in der Regel, sie gegen eine Wand zu fahren.
    Es juckte sie in den Fingern, Hardo anzurufen. Aber sie unterließ es. Nicht so früh morgens, wo er doch Urlaub hatte.
    Apropos, Urlaub. Katinka beschloss, sich ihr ganz privates, verlängertes Wochenende zu gönnen. Der Tag glänzte, ein kühler, aber dennoch endlich sonniger Junitag. Sie trank ihren Kaffee

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