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Käfersterben

Käfersterben

Titel: Käfersterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F Schmöe
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auf Gras. Sabine fiel über sie.
    »Renn!«
    Sie stürmten beide los, weg von dem Stall. Sie hörten Explosionen, Krachen, Beben, Splittern. Irgendwann fiel Katinka auf den Boden, spürte Sabine neben sich.
    Das alte Stallgebäude stand in Flammen.
    »Puh, das war knapp«, stöhnte Sabine.
    Katinka wischte sich übers Gesicht und fragte sich, ob sie noch Wimpern, Augenbrauen und Haare hatte.
    Vom Wohnhaus her hörten sie Motorengeräusch.
    »Die hauen ab!«, schrie Katinka.
    Sie sprang auf. Sabine auf den Fersen rannte sie in einem weiten Bogen um den lichterloh brennenden Stall herum. Sie klaubte die Waffe aus dem Holster. Die unscharfen Bilder verursachten ihr Übelkeit. Ein Wagen jagte mit aufgeblendeten Scheinwerfern vom Hof.
    »Katinka, pass auf!«, schallte Sabines Stimme aus der rötlich leuchtenden Dunkelheit. Der schwarze Geländewagen brauste direkt auf Katinka zu. Sie sprang weg, landete mit den Beinen im Teich und warf sich auf die Uferböschung. Zielte auf die Reifen und schoss. Zweimal. Dreimal. Viermal. Automatisch zählte sie mit. Sie hatte 15 Patronen. Das Getacker der Schüsse ging unter in einem ohrenbetäubenden Brausen, als das Stallgebäude in sich zusammenstürzte. Auch das zweite hatte Feuer gefangen. Die Hitze war kaum zu ertragen. Katinka meinte, ihre Haut würde platzen.
    »Sabine!«, brüllte sie, hustend von dem beißenden Qualm. Sabine musste irgendwo links neben ihr liegen. Der Geländewagen schlingerte und kam zum Stehen. Katinka sprang auf. Sie raste auf das Auto zu, Sabine dicht hinter sich.
    »Ich übernehme Booz«, schrie Katinka. Booz stieg aus dem Wagen. Er drehte sich um, sein Gesicht beleuchtet von der Röte des Feuers. Der zweite Stall brannte. Katinka konnte Booz’ entsetzte Grimasse erst erkennen, als sie dicht vor ihm stand.
    »Umdrehen«, keuchte sie. »Beine auseinander. Hände aufs Dach.«
    Sie tastete ihn ab. Er trug nichts bei sich. Nicht einmal eine Brieftasche. Sabine hatte Jana vom Beifahrersitz gezerrt. Sie blutete am Kopf. Ungerührt zückte Sabine ein zweites Paar Handschellen und fesselte Booz und Jana aneinander.
    »Türmen ist sinnlos«, sagte sie mit zusammengebissenen Zähnen.
    »Mit diesem Arschloch haue ich sowieso nicht ab!«, presste Jana hervor.
    Hinter ihnen flackerte das Feuer auf. In glühendem Orange hoben sich die brennenden Dachbalken von der Dunkelheit ab. Die alten Gebäude bestanden größtenteils aus Holz und brannten wie Zunder.
    »Wo steckt eigentlich York?«, fragte Katinka.
    »Wenn er zu Hause ist …«, fing Booz an.
    »… dann hat er sich zugesoffen. Wie jeden Tag. Und jede Nacht«, warf Jana ein.
    Katinka drehte sich um und rannte. Sie machte einen großen Bogen um den Teich und erreichte das letzte Stallgebäude. Gerade war sie dem Tod entkommen. Es würde ein Leichtes sein, es nochmal zu schaffen. Sie rüttelte an der Türklinke. Verschlossen. Sie schrie nach York. Alles blieb ruhig. Die Hitze oder vielleicht auch der Rauch machten sie schläfrig. Katinka kämpfte sich um den Stall herum, dorthin, wo sie vor wenigen Tagen in den Brennnesseln gestanden und Mozartklängen gelauscht hatte. Hier war es kühler. Sie atmete ein paarmal tief durch und hämmerte mit den Fäusten gegen eines der Fenster.
    »York!«, brüllte sie.
    Ihre Stimme ging im Prasseln des Feuers unter. Der leichte Wind fachte den Brand noch weiter an. In Panik sah sie sich um, schnappte sich ein Stück halb verfaultes Holz und rammte es gegen die Fensterscheibe. Mit ein paar zornigen Hieben stieß sie die verbliebenen Scherben weg und stemmte sich hoch. In ihrem verletzten Arm gab es einen Ruck. Kein Schmerz, nur ein eigenartiges Gefühl. Katinka achtete nicht darauf, sondern kletterte in das Zimmer. Ein unglaubliches Durchein-ander empfing sie. Fotoutensilien, teuer aussehend, lagen überall herum. Über allem schwebte der Gestank nach Alkohol, nach leeren, unverschraubten Flaschen. Katinka hielt sich die Nase zu.
    »York!«
    Der zweite Stall brach ein. Irgendetwas flog gegen die Wand des Gebäudes, in dem sie stand. Sie zuckte zusammen. Ihr Arm begann gegen die rüde Behandlung zu protestieren. Ein feiner, brennender Schmerz meldete sich.
    »York, verdammt!«
    Er lag auf dem Sofa, in Unterhosen und Socken, und schnarchte. Sein Gesicht wirkte aufgedunsen, er roch nach Schnaps. Das Lockenhaar klebte verschwitzt an seinem Kopf. Abgesehen von seiner Modelfigur sah er im Augenblick nicht nach Adonis aus.
    »York!«
    Don Juan schlief mit der Unschuld eines Kindes.

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