Käfersterben
zurückten.
»Ja.«
»Dann müssen wir gleich danach rechts abbiegen.«
Sabine Kerschensteiner hielt bei der Weggabelung. Sie griff nach der Taschenlampe, die Hardo in der Fah-rertür aufbewahrte. »Ich übertrete ungefähr zwanzig Gesetze im Augenblick. Vielleicht auch mehr.«
Katinka sah sie an und sagte: »Ich möchte Sie nicht zwingen. Wirklich nicht. Wenn Sie wollen, fahren Sie zurück.«
»Nichts da.« Sabine Kerschensteiner öffnete den Sicherungsknopf am Pistolenholster.
Katinka atmete tief ein. Die Nacht war milder, als sie gedacht hatte. Ein leichter Wind bewegte das Gras auf den Rainen. Sie gingen leise nebeneinander her auf den Gutshof zu. Alles lag dunkel. Im Finstern störte die Kurzsichtigkeit weniger. Katinka spürte ihr Herz gegen ihre Rippen klopfen. Was mein armer Körper heute alles erleidet, will ich lieber nicht so genau wissen, dachte sie. Sobald das alles vorbei ist, tue ich ihm nur Gutes.
Sie standen am unteren Ende des Haupthauses. Kein Fenster war erleuchtet. Weiter hinten parkte der Geländewagen. Katinka wies auf den Stall, in dem sie Jana getroffen hatte.
»Dorthin zuerst?«, fragte Sabine. Katinka nickte. Sie zogen die Waffen und schlichen über den Hof, am Teich vorbei.
Die Stalltür stand angelehnt. Verwundert trat Katinka ein, Sabine dicht hinter sich. Sie machten kein Licht. Im Vorraum warteten sie eine Weile, dann drückte Sabine die Klinke der zweiten Tür.
»Hallo!«, rief Sabine. »Ist da jemand?«
Ihre Stimme hallte in dem riesigen Raum und schwappte von den Wänden zurück. Der Lichtstrahl der Lampe wanderte durch den Stall, brach sich an den mannshohen Holzblöcken. Unheimliche Schatten krochen auf sie zu.
»Hallo!«, rief Sabine noch einmal. Sie wandte sich nach rechts, Katinka ging links entlang. Sie suchten den ganzen Raum ab. Nichts.
Katinka musterte den Schrank, aus dem sich Jana vor kurzem neue Anziehsachen geholt hatte. Sie blickte hinein. Nichts. Er war leer. Das hat nichts zu bedeuten, redete Katinka sich ein.
Ein Geräusch drang zu ihnen. Eine Tür schlug. Die Tür zum Vorraum.
Sofort löschte Sabine die Taschenlampe. Katinka duckte sich hinter einen der Holzklötze. Sie verlor Sabine aus den Augen. Dann flammte Licht auf. Die Deckenleuchte war nicht besonders hell, aber Katinka konnte Jana an ihrer Statur und der Art ausmachen, wie sie sich bewegte.
»Jana!«, rief sie und trat hinter dem Holzklotz hervor. Sie richtete die Pistole auf Jana und tastete nach dem Einschaltknopf des Aufnahmegeräts in ihrer Tasche.
Jana schrie auf.
»Sie müssen ziemlich überrascht sein«, sagte Katinka. »Sie haben ja damit gerechnet, dass ich um diese Zeit schon verblutet bin, stimmt’s?«
Jana drehte sich um und spurtete zur Tür, aber Sabine verstellte ihr den Fluchtweg. Unsanft landete Jana auf dem Boden. Sabine fesselte ihr die Hände auf den Rücken.
Das ging schnell, dachte Katinka. Zu schnell. Und zu einfach.
»Lassen Sie mich in Ruhe«, schrie Jana wütend.
»Immer mal langsam. Wo steckt Booz?«, fragte Ka-tinka.
Jana starrte sie wütend an und schwieg.
»Warum?«, fragte Katinka weiter. »Warum haben Sie Dani umgebracht?«
Auf Janas Gesicht spiegelten sich Schock und Panik.
»Ich kann Ihnen sagen, warum«, sagte Katinka. »Sie haben es nicht ertragen, dass das erfolgreiche Team aus Livio, Dani und Jana eindeutig Vergangenheit war. Sie wollten Dani dazu bringen, weiterhin mit Ihnen zusammen auszustellen, nicht wahr? Aber Dani weigerte sich. Sie wollte alleine vorankommen. Jana Dorell wäre ein Klotz am Bein von Dani Zanini gewesen, habe ich recht?«
Jana wehrte sich wie wild gegen die Handschellen. Sie schrie wütende Beschimpfungen gegen Sabine und Katinka und trat mit den Füßen nach ihnen. Die beiden warteten, bis sie sich beruhigt hatte.
»Sie haben mit den Käfermorden angefangen, um Booz zu beeindrucken«, fuhr Katinka fort. »Sie wollten ihm beweisen, wie gut Sie sind. Dass Sie sogar seine eigene Unverfrorenheit zu übertreffen wissen. Autos stehlen und mit Samuraischwertern durchbohren können.«
»Ich will eine Zigarette«, schnauze Jana.
»Später. Sie wollten, dass Dani sich Ihnen und Booz anschließt. Aber Dani hatte nicht die leiseste Absicht, das zu tun. Dani war zu rational für den Quatsch, den Sie und Booz als Kunst verbraten.«
Katinka hob den Kopf und lauschte. Sie meinte, ein Geräusch zu hören, von draußen. Etwas Leises, Sanftes. Sie sah Sabine an. Die ging zur Tür und trat hinaus. Katinka konnte erkennen, wie sie sich
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