Kälteeinbruch (German Edition)
reichte ihm die Papiere. Askheim betrachtete sie kurz, um ihn ein paar Sekunden lang in dem Glauben zu wiegen, es handele sich um eine Routinekontrolle.
«War ich zu schnell?»
«Das auch.» Askheim legte die Papiere aufs Autodach. «Dürfte ich mal einen Blick in Ihren Wagen werfen?»
«Weshalb?», fragte Nils und schien sich in seinem Sitz schwer zu machen.
Askheim trat zwei Schritte zurück.
«Steigen Sie aus», befahl er.
«Steigen Sie aus»
, äffte Nils ihn nach. «Wissen Sie überhaupt, wen Sie vor sich haben?»
Askheim riss die Autotür auf. «Raus!»
«Dazu sind Sie laut Gesetz nicht befugt. Sagen Sie mir, was es kostet. Ich zahle bar.»
Er lächelte höhnisch. Wenn jemand helle genug war zu wissen, dass Barzahlungen nicht erlaubt waren, dann doch dieser Mann. Er wollte lediglich demonstrieren, dass er genügend Bargeld besaß.
Askheim machte einen langen Schritt nach vorn. Fasste mit dem linken Arm blitzschnell an dem Fahrer vorbei. Öffnete den Sicherheitsgurt und packte Nils mit beiden Händen an dem überteuerten Anzug. Zerrte ihn nach draußen und warf ihn mit einer solchen Wucht gegen das Auto, dass seine Hand mitsamt der protzigsten Armbanduhr, die Askheim je gesehen hatte, gegen das Fenster klatschte. Als er zu Boden ging, schrie Nils lauthals, seine Armbanduhr habe mehr gekostet, als Askheim im ganzen Jahr verdienen würde – und zwar brutto. Und dass er seine Anwälte einschalten und persönlich dafür Sorge tragen würde, dass Askheim nicht nur seinen Job verliere, sondern auch sein Haus, sein Auto und sein Boot – falls er denn eins habe.
Dem älteren Ehepaar stockte der Atem. Der Mann zeigte erneut auf den BMW , und dieses Mal ließ sie ihn gewähren.
«Ganz ruhig», sagte Askheim leise, während er ihm auf dem Rücken Handschellen anlegte. «Der Schmuck steht Ihnen.» Er beugte sich vor und flüsterte: «Wissen Sie, Nils, Typen wie Sie machen mir keine Angst. Weil Sie nämlich in einer halben Stunde flennend in Ihrer Zelle liegen und nach Ihrer Mutter rufen werden. Das ist bei euch immer dasselbe.» Er zerrte den Verhafteten hinter sich her und stieß ihn auf dem Gehweg zwischen BMW und Polizeiauto in den Schnee.
Er ging um den Wagen herum zur Beifahrerseite. Öffnete die Tür. Warf einen raschen Blick in den Fußraum, bevor er sich dem wahrscheinlichsten Ort zuwandte: dem Handschuhfach. Auf dem Handbuch und dem Serviceheft des Wagens lag ein dreieckiges, in Aluminiumfolie gewickeltes Päckchen. Es war hart. Er legte es zum Öffnen auf den Sitz. Unter der Alufolie befand sich eine größere Menge Plastikfolie. Vorsichtig zog er die Plastikfolie Schicht für Schicht ab. Der weiße Block hatte vermutlich zu einem Quader von einem Kilo gehört. Er war schräg zerteilt worden, wie eine Scheibe Toastbrot. In der Mitte schien ein Stern aufgestempelt gewesen zu sein. Nun war nur noch die Hälfte des Logos des südamerikanischen Kartells sichtbar.
Reineres Kokain als dieses hier gab es nicht.
Askheim fischte in der Tasche nach seinem Handy und rief die dritte Person in seinem Telefonbuch an.
«Hast du ihn?», meldete sich Anton.
«Und ob. Der Trottel hatte ein halbes Kilo im Handschuhfach.»
«Siehst du. Hab ich doch gesagt, dass sich die Mühe lohnt. Hast du den Dealer?»
«Den hab ich hoffentlich noch, bevor du den Anzughengst abgeholt hast, der hier zappelnd am Boden liegt.»
«Ist er clean?»
«Keine Chance.»
«Okay. Ich will ihn clean und zugänglich. Wie lange kannst du ihn festhalten, ohne dass es offiziell wird?»
«Äh … Holst du ihn nicht sofort ab?»
«Nein, er soll auf den Brustwarzen kriechen. Steck den Idioten bis morgen in den Keller.»
«Bis morgen?», rief Askheim aus. «Inoffiziell? Bist du verrückt?»
«Will Lars Askheim vom Polizeirevier Stadtmitte die Lorbeeren für die Festnahme des Dealers einsacken, oder soll sich Anton Brekke von der Kriminalpolizei darum kümmern …?»
«Verdammter Mistkerl», zischte Askheim leise. «Mit dir gibt es immer nur Ärger. Morgen früh holst du ihn ab, sonst lass ich den Dreckskerl laufen.»
«Das wirst du nicht tun.»
«Glaub mir, Anton, diesmal schon.»
Kapitel 42
Das Motel am Riksvei 118 gewährte ihnen seit mittlerweile zwölf Stunden Quartier. Dass Bernandas sich beim Einchecken nicht ausweisen konnte, war dem Grünschnabel von Nachtportier egal gewesen. Gleichgültig nickend hatte er die Erklärung akzeptiert, dass das Kartenetui samt Führerschein und Kreditkarte auf einem Rastplatz in Schweden geklaut
Weitere Kostenlose Bücher