Kälteschlaf - Indriðason, A: Kälteschlaf - Harðskafi
Hut war, und ich bin überzeugt, dass sie etwas quälte, etwas, worüber sie nicht sprechen konnte.«
»Das war natürlich eine schreckliche Sache«, sagte Erlendur. »Sie hat zusehen müssen, wie ihr Vater ertrank.«
»Ja, das stimmt.«
»Was hat sie gesagt?«
»Sie hat gesagt, dass sie nie in dieses Ferienhaus hätten fahren sollen.«
»Sonst nichts?«
»Und dass …«
»Ja?«
»Dass er vielleicht sterben musste.«
»Ihr Vater?«
»Ja, ihr Vater.«
Der ganze Saal brach in schallendes Gelächter aus, Valgerður ebenfalls. Erlendur zog die Augenbrauen hoch. Durch die dritte Tür war unverhofft der Ehemann aufgetaucht und hatte einen seltsamen Laut von sich gegeben, als er seine Frau in den Armen des Dieners erblickt hatte. Die Frau stieß den Diener von sich und schrie, dass er über sie hergefallen sei, um sie zu vergewaltigen. Der Diener blickte in den Saal und schnitt eine Grimasse – sehr glaubwürdig! Und wieder brüllte das Publikum vor Lachen. Als Valgerður Erlendur mit strahlendem Lächeln ansah, merkte sie sofort, dass er sich langweilte. Sie streichelte seinen Arm, und er wandte sich ihr zu und lächelte dann auch.
Nach der Vorstellung gingen sie noch in ein Café. Er genehmigte sich einen Chartreuse zum Kaffee. Sie hatte heiße Chocolate Pie mit Sorbet und einen süßen Likör dazu bestellt. Sie unterhielten sich über das Theaterstück. Valgerður hatte sich amüsiert. Er zeigte sich wenig beeindruckt und wies auf Unstimmigkeiten im Plot hin.
»Ach, Erlendur, das ist doch bloß eine Farce, das darf man doch nicht so ernst nehmen«, sagte Valgerður. »Man soll einfach nur lachen und alles andere vergessen. Ich fand das Stück sehr komisch.«
»Ja, es wurde viel gelacht«, antwortete Erlendur. »Ich bin es nicht gewohnt, ins Theater zu gehen. Kennst du einen Schauspieler namens Orri Fjeldsted?«
Ihm waren auf einmal Þorgerðurs Worte über Baldvins Freunde in der Schauspielerwelt eingefallen. Mit Berühmtheiten kannte er sich nicht aus.
»Ja, natürlich«, sagte Valgerður, »du hast ihn doch auch gesehen, in der Wildente .«
»In der Wildente ?«
»Ja, er war der Ehemann. Vielleicht etwas zu alt für die Rolle, aber … ein guter Schauspieler.«
»Ach, der ist das, ja«, sagte Erlendur.
Valgerður ging sehr gern ins Theater, und es war ihr ein paarmal gelungen, Erlendur mitzuschleifen. Sie hatte namhafte Stücke gewählt, Ibsen und Strindberg, in der Hoffnung, dass sie ihm zusagten, stellte aber fest, dass er sich langweilte. In der Wildente schlief er ein. Dann probierte sie es mit Komödien, aber die waren seiner Meinung nach völlig daneben. Der Tod eines Handlungsreisenden gefiel ihm jedoch, und das hatte Valgerður nicht weiter überrascht.
Im Café waren nur wenige Menschen. Irgendwo von oben erklang ruhige Musik. Erlendur glaubte zu hören, dass es Frank Sinatra war. Moon River . Er besaß eine Platte von ihm mit diesem Lied. Er erinnerte sich an einen Spielfilm, den er gesehen hatte, an den Titel konnte er sich nicht mehr erinnern; in dem Film war dieses Lied von einer schönen Schauspielerin gesungen worden. In der herbstlichen Kälte waren nur wenige unterwegs. Vereinzelt eilten Menschen am Fenster vorbei, vermummt in warme Anoraks oder Wintermäntel, gesichts- und namenlose Gestalten, die zu dieser späten Abendstunde noch etwas in der Stadt zu erledigen hatten.
»Eva möchte, dass Halldóra und ich uns treffen«, sagte Erlendur und nippte an seinem Chartreuse.
»Ach«, sagte Valgerður.
»Sie erhofft sich, dass sich dadurch unsere Beziehung normalisiert.«
»Ist das nicht ganz vernünftig?«, erwiderte Valgerður, die immer Partei für Eva Lind ergriff, wenn die Rede auf sie kam. »Ihr habt zwei Kinder zusammen, da ist es doch nur normal, dass ihr in irgendeiner Form Verbindung miteinander habt. Ist sie bereit, dich zu treffen?«
»Das behauptet Eva.«
»Wieso habt ihr eigentlich die ganzen Jahre keinen Kontakt gehabt?«
Erlendur überlegte. »Wir waren nicht daran interessiert«, antwortete er.
»Das muss aber schwierig für die beiden gewesen sein. Für Sindri und Eva.«
Erlendur schwieg.
»Was wäre das Schlimmste, was passieren könnte?«, fragte Valgerður.
»Ich weiß es nicht. Das ist irgendwie alles so weit weg. Unsere Beziehung. Wie wir mal waren. Es ist eine Ewigkeit her, dass wir zusammengelebt haben. Worüber sollten wir überhaupt reden? Weshalb das alles wieder aufwärmen?«
»Vielleicht hat die Zeit Wunden geheilt.«
»Den Eindruck hatte
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