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Kälteschlaf - Indriðason, A: Kälteschlaf - Harðskafi

Kälteschlaf - Indriðason, A: Kälteschlaf - Harðskafi

Titel: Kälteschlaf - Indriðason, A: Kälteschlaf - Harðskafi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnaldur Indriðason
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entstehen sollte. Ein Holzstapel brach zusammen und begrub das Kind unter sich; es war auf der Stelle tot.
    Erlendur hatte in seiner Jugend von dem Gespensterhaus gehört. Seine Mutter kannte den Mann, der diesen Vorfällen auf den Grund gegangen war, sie hatte die Geschichte aus erster Hand. Dieser Mann hielt es für ausgeschlossen, dass die Frau aus Reykjavík etwas über die Vorgeschichte beim Bau des Hauses gewusst hatte. Erlendur wusste nicht, wie derartige Dinge zu interpretieren waren. Seine Mutter ebenfalls nicht.
    Was war daraus über Leben und Tod zu schließen?
    War diese Frau aus Reykjavík wahrnehmungsfähiger gewesen als andere, oder hatte sie doch irgendwann einmal die Geschichte von der Tochter des Zimmermeisters gehört und ihrer Fantasie freien Lauf gelassen?
    Wenn ihre Wahrnehmung tatsächlich sensibler gewesen war als die der meisten anderen Menschen, was hatte sich dann hinter der Vertäfelung befunden?

Elf
    Die Frau konnte sich gut an die Zeit erinnern, als María und Baldvin sich ineinander verliebt hatten. Sie hieß Þorgerður und hatte mit María zusammen Geschichte an der Universität Islands studiert. Sie war groß und grobknochig und hatte dichtes, dunkles Haar. Nach zwei Jahren hatte sie das Geschichtsstudium an den Nagel gehängt, stattdessen Krankenpflegewissenschaften studiert und darin ihren Abschluss gemacht. Sie hatte auch nach dem Studium guten Kontakt zu María gehalten. Sie war redselig und unterhielt sich ohne Hemmungen mit einem Kriminalbeamten wie Erlendur. Ungefragt erklärte sie, einmal Zeugin in einem Kriminalfall gewesen zu sein; sie war in einer Apotheke gewesen, als ein maskierter Mann hereingestürzt kam und die Frau an der Kasse mit einem Messer bedrohte.
    »Das war so ein armer Teufel«, sagte Þorgerður. »Irgend so ein Junkie. Die haben ihn sofort erwischt, und alle Anwesenden mussten ihn anschließend identifizieren. Das war kein Problem, denn er war immer noch in derselben Aufmachung. Diese Bankräubermütze hätte er lieber weglassen sollen. Ein richtig hübscher Junge.«
    Erlendur musste innerlich lächeln. »Inferiore Gestalten«, hätte Sigurður Óli gesagt. Erlendur wusste nicht, ob er Laxness gelesen hatte oder diesen Ausdruck in seiner Jugend gehört hatte. Für Sigurður Óli war das wahrscheinlich gleichbedeutend mit Verbrechergesindel und Drogensüchtigen. Solche Leute waren für ihn einfach Versager, genau wie auch alle anderen Leute, die ihm aus irgendwelchen Gründen missfielen; ungelernte Aushilfskräfte, Verkäufer, einfache Arbeiter beispielsweise und sogar Handwerker konnten ihm unendlich auf die Nerven gehen. Er war einmal mit seiner Bergþóra für ein Wochenende nach Paris geflogen, Charterflug, und hatte sich maßlos darüber geärgert, dass die meisten an Bord zu irgendeiner Firma gehörten, die einen Betriebsausflug machte; sie begannen bereits im Flugzeug zu trinken, lärmten besoffen herum, und zur Krönung des Ganzen klatschten sie, als die Maschine gelandet war. »Provinzler«, stöhnte er seiner Bergþóra ins Ohr und machte aus seiner Abneigung gegen diese inferioren Gestalten keinen Hehl.
    Erlendur gelang es, das Gespräch auf María und ihren Mann zu bringen, und Þorgerður erzählte bereitwillig und ausführlich von ihrem Geschichtsstudium, das sie zum Schluss drangegeben hatte, und von ihrer Freundin María, die ihren Mann, den angehenden Arzt, auf einem Studentenball kennengelernt hatte.
    »Ich vermisse María«, sagte sie. »Ich kann es immer noch nicht richtig glauben, dass es so mit ihr geendet haben soll. Die Ärmste, sie muss sehr schlimm dran gewesen sein.«
    »Ihr habt euch also an der Universität kennengelernt?«, fragte Erlendur.
    »Ja, María war total interessiert an Geschichte«, erklärte Þorgerður und verschränkte die Arme vor der Brust. »Sie fand alte Zeiten total faszinierend. Ich fand das alles todlangweilig. Sie gab sogar zu Hause ihre Unterrichtsnotizen in den Computer ein. Ich kannte niemand anderen, der das machte. Aber sie war auch eine sehr gute Studentin. Das traf nicht auf viele bei uns in Geschichte zu.«
    »Kanntest du Baldvin auch?«
    »Ja, aber erst nachdem María und er sich kennengelernt hatten. Baldvin war ein sehr netter Junge. Er war eigentlich an der Schauspielschule, spielte aber mit dem Gedanken, dort aufzuhören, als die beiden sich zusammentaten. Er war wohl kein besonderer Schauspieler.«
    »Tatsächlich?«
    »Ja, das habe ich irgendwo gehört. Dass es ein vernünftiger Entschluss

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