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Kälteschlaf - Indriðason, A: Kälteschlaf - Harðskafi

Kälteschlaf - Indriðason, A: Kälteschlaf - Harðskafi

Titel: Kälteschlaf - Indriðason, A: Kälteschlaf - Harðskafi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnaldur Indriðason
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Magnús. Wir wollten es Leonóra in Þingvellir sagen. Wir wollten es ihr so schonend wie möglich beibringen. Magnús war der Meinung, dass ich dabei sein sollte. Leonóra und ich waren eng befreundet, und ich habe mir das einfach nicht zugetraut. Vielleicht wären die Dinge anders gelaufen, wenn ich auch dort gewesen wäre.«
    Sólveig sah Erlendur an. »Du glaubst natürlich, dass ich eine ganz infame Person bin«, sagte sie.
    »Ich glaube gar nichts.«
    »Leonóra war immer so dominierend. Sie konnte ein richtiger Dragoner sein. Magnús stand voll und ganz unter ihrer Fuchtel. Wenn ihr etwas missfiel, hat sie ihm sofort die Meinung gesagt, sogar im Beisein anderer. Magnús wandte sich mir zu. Zu Anfang habe ich ihn wohl nur bemitleidet. Er war ein guter Mann. Wir begannen, uns heimlich zu treffen. Ich weiß nicht, was geschah, aber wir verliebten uns ineinander. Und dann wollten wir natürlich zusammenleben. Wir mussten Leonóra dazu bringen, das zu verstehen. Ich wollte kein heimliches Techtelmechtel hinter ihrem Rücken, das wäre wie eine Verschwörung gegen sie gewesen. Ich wollte mit offenen Karten spielen. Ich konnte dieses … diese Heimlichtuerei nicht ertragen. Er wollte noch etwas damit warten, aber ich habe ihn unter Druck gesetzt. Wir einigten uns darauf, dass er ihr an dem bewussten Wochenende in Þingvellir die Wahrheit sagen sollte.«
    »Hat Leonóra überhaupt nichts gemerkt?«
    »Nein, sie war völlig ahnungslos. So war Leonóra. Arglos. Sie vertraute den Menschen. Ich habe dieses Vertrauen enttäuscht. Magnús auch.«
    »Hast du Leonóra nach dem Unfall getroffen?«
    Sólveig schlug die Augen nieder. »Bringt es dir etwas, wenn du das weißt?«, fragte sie. »Der Unfall wurde seinerzeit untersucht. Der Hergang war vollkommen klar. Niemand hat seitdem Fragen gestellt. Wenn irgendjemand das hätte tun sollen, dann ich, aber das habe ich nicht getan.«
    »Du hast Leonóra getroffen?«
    »Das habe ich. Ein einziges Mal. Es war schrecklich. Grauenvoll. Es war einige Zeit nach Magnús’ Beerdigung. Ich wusste nicht, ob er ihr vor seinem Tod noch von uns erzählt hatte, und bei der Beerdigung habe ich so getan, als sei nichts vorgefallen. Ich habe aber sofort gemerkt, dass Leonóra mich keines Blickes würdigte. Sie hat mich nicht gegrüßt, ich war Luft für sie. Da wusste ich, dass Magnús es ihr gesagt hatte.«
    »Wollte sie dich treffen, oder …?«
    »Ja. Sie hat mich angerufen und mich gebeten, nach Grafarvogur zu kommen, wo sie mich überaus frostig in Empfang nahm.«
    Sólveig machte eine Pause. Erlendur wartete geduldig. Er spürte, dass es ihr zu schaffen machte, wieder an die alten Ereignisse zu rühren.
    »Leonóra sagte mir, dass die kleine María in der Schule wäre und dass sie den Wunsch hätte, mir ganz genau zu erzählen, was am See vorgefallen war. Ich habe ihr gesagt, ich bräuchte nichts darüber zu wissen, aber da lachte sie und sagte, so billig würde ich nicht davonkommen. Ich wusste nicht, was sie damit meinte.«
    »Magnús hat mir von euch beiden erzählt«, sagte Leonóra. »Er hat mir erzählt, dass er mich verlassen und mit dir zusammenleben will.«
    »Leonóra«, sagte Sólveig, »ich …«
    »Schweig«, sagte Leonóra, ohne die Stimme zu erheben. »Ich will dir erzählen, wie es war. Zwei Dinge musst du begreifen. Du musst verstehen, warum ich das Mädchen abschirme, und du musst einsehen, dass du auch Schuld daran hast. Du und Magnús. Ihr habt das über euch hereingerufen.«
    Sólveig schwieg.
    »Was hast du dir dabei gedacht?«, fragte Leonóra.
    »Ich wollte dich nicht verletzen«, antwortete Sólveig.
    »Mich verletzen? Du hast keine Ahnung, was du getan hast.«
    »Magnús fühlte sich schrecklich«, erwiderte Sólveig. »Deswegen ist er zu mir gekommen. Ihm ging es schlecht.«
    »Das ist eine Lüge. Ihm ging es überhaupt nicht schlecht. Du hast ihn mir weggenommen, du hast ihn zu dir gelockt.«
    Sólveig schwieg zunächst, dann sagte sie leise: »Ich möchte mich nicht mit dir streiten.«
    »Nein, das ist ja nun auch aus und vorbei«, sagte Leonóra. »Daran ändert niemand mehr etwas. Ich will bloß nicht, dass die Verantwortung allein auf mir lastet. Du bist auch verantwortlich und Magnús ebenfalls. Ihr beide.«
    »Niemand ist verantwortlich für einen solchen Unfall. Er ist über Bord gefallen. Es war ein Unfall.«
    Leonóra lächelte ein schwaches und hintergründiges Lächeln. Sie war in einer seltsamen Verfassung. Das Haus war dunkel und kalt, und

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