Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kaeltezone

Kaeltezone

Titel: Kaeltezone Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnaldur Indridason
Vom Netzwerk:
dass Disziplin herrschte. Andere Studentenvereinigungen waren nicht erlaubt, und die Funktionäre hatten sehr viel Macht. Es wurde übel aufgenommen, wenn man nicht zu den Pflichtveranstaltungen erschien.«
    »Du hast erwähnt, dass es oppositionelle Gruppen gab«, sagte Erlendur. »Was …?«
    »Ich weiß nicht mal, ob man sie wirklich als Oppositionelle bezeichnen kann«, sagte Hannes. »Es waren zum größten Teil junge Leute, die sich trafen und Westsender hörten. Sie redeten über Elvis und über Westberlin, denn viele waren dort gewesen, oder sogar über Religion, was damals nicht gern gesehen wurde. Doch, es gab aber auch tatsächliche Widerstandsgruppen, die für eine Systemveränderung kämpften, für eine echte Demokratie, für das Recht auf freie Meinungsäußerung und Pressefreiheit. Gegen sie wurde hart vorgegangen.«
    »Du hast gesagt, dass beispielsweise Lothar Weiser an dich herangetreten ist, um dich als Informanten zu gewinnen. Gab es da noch andere?«
    »Ja, natürlich«, sagte Hannes. »In dieser Gesellschaft gab es die so genannte gegenseitige Kontrolle, sowohl an der Universität als auch in der allgemeinen Bevölkerung. Die Leute hatten Angst. Die geradlinigen Kommunisten nahmen aus vollster Überzeugung daran teil, während die Zweifler versuchten, sich rauszuhalten und sich irgendwie damit zu arrangieren. Ich bin der Überzeugung, dass außer mir noch viele andere der Meinung waren, dass dieses System das genaue Gegenteil von dem war, wofür der Sozialismus steht.«
    »Weißt du, ob einer der Isländer für diesen Lothar gearbeitet hat?«
    »Warum wollt ihr das wissen?«, fragte Hannes.
    »Wir müssen in Erfahrung bringen, ob er mit irgendwelchen Isländern in Verbindung stand, als er in den sechziger Jahren als Wirtschaftsreferent in Island auftauchte«, sagte Erlendur. »Es handelt sich um eine ganz normale Recherche. Es geht nicht darum, Leute auszuspionieren, sondern nur um Informationen wegen dieses Skelettfunds.«
    Hannes’ Blick wanderte zwischen Elínborg und Erlendur hin und her.
    »Ich wüsste nicht, dass irgendein Isländer etwas mit diesem System zu tun haben wollte, außer vielleicht Emíl«, sagte er. »Ich glaube, dass er ein doppeltes Spiel gespielt hat. Ich habe es Tómas seinerzeit gesagt, als er mich danach fragte. Das war aber viel später, als er mich einmal besucht hat. Da stellte er mir nämlich genau die gleiche Frage.«
    »Tómas?«, sagte Erlendur. Er konnte sich an den Namen auf der Liste der isländischen DDR-Studenten erinnern. »Hast du immer noch Verbindung zu diesen Leuten, die mit dir zusammen in Leipzig studierten?«
    »Nein, ich habe kaum Kontakt zu ihnen, und habe nie welchen gehabt«, entgegnete Hannes. »Tómas und ich hatten aber eines gemeinsam – wir sind relegiert worden. Er kam genau wie ich nach Island zurück, ohne das Studium abgeschlossen zu haben. Er musste Leipzig verlassen und wurde abgeschoben. Nach seiner Rückkehr hat er mich aufgesucht und mir von seiner Verlobten erzählt, einem ungarischen Mädchen, das Ilona hieß. Ich kannte sie auch ein wenig. Sie hatte nicht viel für Parteidisziplin übrig, um es milde auszudrücken. Sie kam aus einem etwas anderen Umfeld, denn in Ungarn wurden die Dinge damals noch freizügiger gehandhabt. Die jungen Leute sagten offen, was sie über die sowjetische Vorherrschaft dachten, die sich über ganz Osteuropa ausgebreitet hatte.«
    »Warum hat er dir von ihr erzählt?«, warf Elínborg ein.
    »Er war ein gebrochener Mann, als er zu mir kam«, sagte Hannes. »Er war nur noch ein Schatten seiner selbst. In Leipzig lernte ich ihn als selbstsicheren jungen Mann kennen, der den Kopf voller sozialistischer Ideale hatte, für die er kämpfte. Er stammte aus einer traditionellen Arbeiterfamilie.«
    »Weshalb war er ein gebrochener Mann?
    »Weil sie spurlos verschwand«, sagte Hannes. »Ilona wurde in Leipzig verhaftet, und sie tauchte nie wieder auf. Er war am Boden zerstört. Er sagte mir, dass Ilona schwanger gewesen sei, als sie verschwand. Er hatte Tränen in den Augen, als er darüber redete.«
    »Und später ist er noch einmal zu dir gekommen?«, fragte Erlendur.
    »Ja, und es war irgendwie seltsam, dass er so viele Jahre später noch einmal kam, um über diese alten Dinge zu reden. Unsereins hatte das Ganze so gut wie verdrängt, aber Tómas hatte offensichtlich nichts von alledem vergessen. Er erinnerte sich an alles, an die kleinsten Kleinigkeiten, als sei es erst gestern passiert.«
    »Was wollte

Weitere Kostenlose Bücher