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Käpt'n Ebbs Seebär und Salonlöwe

Käpt'n Ebbs Seebär und Salonlöwe

Titel: Käpt'n Ebbs Seebär und Salonlöwe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Gordon
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führten. Er erkannte mit einemmal, daß das Bootsdeck genauso von Leben wimmelte wie ein friedliches sommerliches Heufeld von Kaninchen.
    Nachdem Ebbs wieder zum vorderen Teil des Decks zurückgekehrt war, ließ seine Diskretion nach. Mit schnellen und dröhnenden Schritten strebte er der Brückenleiter zu; er wollte die Zigarre in seiner Kabine zu Ende rauchen. Doch da blieb er stehen, eine Hand am Geländer. Aus dem Dunkel der Kajütentreppe drang ein lebhafter Seufzer zu ihm, und in sein Auge fiel der Glanz einer weißen Hemdbrust und dreier goldener Offizierstressen.
    Ebbs gab ein Knurren von sich.
    Er eilte zur Brücke empor und warf seine Zigarre gewissenhaft über Bord. Brickwood, der seine beste Uniform, einen weißen Mützenüberzug und einen steifen Kragen trug, salutierte bei seinem Auftauchen forsch und begann munter herunterzuleiern: «Sämtliche Vorschriften der Gesellschaft wurden striktest befolgt, Sir -»
    «Ja, ja», sagte Ebbs. «Wo ist der diensthabende Quartermeister?» 1
    «Auf dem Auslug, Sir.»
    «Sagen Sie ihm, er möge dem Ersten Offizier meine Grüße bestellen und ihn sofort auf die Brücke beordern. Er findet ihn auf der Kajütentreppe des Steuerborddecks.»
    Shawe-Wilson erschien wütenden Angesichts auf der Brücke. Mit großer Sorgfalt hatte er bei der Party ein schlaksiges Mädel mit nicht allzuviel Innenleben ausgewählt; es war die zweite Posaunenbläserin der Turnerinnenkapelle. Im allgemeinen überlegte er sich seine Aufwendungen, doch in sie hatte er seit dem Dinner gemischte Liköre im Werte fast eines ganzen Pfunds investiert; es war ihm gelungen, sie zu einem Spaziergang auf dem Bootsdeck zu verlocken, und er war gerade im Begriff gewesen, sie mit weiteren Überredungskünsten dahin zu bringen, in seine Kabine zu schlüpfen, als dieser elende Ebbs die unerhörte Frechheit besaß, ihn aus den Armen des Weibes zu reißen, das er liebte oder das zu lieben er sich anschickte.
    «Sie wünschen mich zu sprechen, Sir?» fragte er steif. Er hatte beschlossen, die Sache mit Würde zu überstehen.
    «Mr. Brickwood», befahl Ebbs. «Gehen Sie bitte auf das Brückennock.»
    «Ay ay, Sir.»
    Ebbs schloß die Tür des Navigationsraums. «Mr. Shawe-Wilson», begann er. «Was taten Sie eben, wenn ich fragen darf?»
    «Ich schöpfte Luft, Sir.»
    «So? Und Sie erscheinen hier, mit Lippenstift beschmiert, nach Gin und billigem Parfum stinkend -»
    «Sir!»
    «- und sehen so aus, als kämen Sie gerade aus dem Schlafzimmer einer Hure gekugelt -»
    «Ich muß Sie bitten, Sir, sich zu mäßigen -»
    «Mich mäßigen, verdammt noch mal! » Ebbs hieb abermals auf den Tisch und setzte dadurch Brickwood in Bestürzung, der gerade hinter der Tür stand. «Ich machte vor dem Schlafengehen einen Spaziergang rund ums Deck, und was sehe ich? Da geht es zu wie auf dem Grand Road in Bombay! Das ist doch unerhört! »
    «Die Moral der Passagiere geht uns nichts an, Sir.»
    «Aber die Moral des Ersten Offiziers geht mich sehr viel an! Sind Sie sich bewußt, Mr. Shawe-Wilson, daß Sie sich gegen die wichtigste Vorschrift vergangen haben? Sind Sie sich dessen bewußt? Ja, Sir?»
    Shawe-Wilson zuckte die Achseln. «Der Erste Offizier hat gewisse gesellschaftliche Verpflichtungen...»
    «Gesellschaftliche Verpflichtungen! Du lieber Himmel!»
    «Unter Kapitän Buckle -»
    «Es kümmert mich einen -» Ebbs bezähmte sich. Er hielt inne, seine Faust über dem Tisch geballt. «Ich bin schwer enttäuscht, Mr. Shawe-Wilson», fuhr er, ruhig geworden, fort. «Ich war der Hoffnung, daß Sie und ich heute abend von vorn beginnen könnten. Nun muß ich -es bleibt mir nichts anderes übrig - mir die Sache von neuem durch den Kopf gehen lassen, und das bekümmert mich einigermaßen. Doch es ist jetzt recht spät geworden, und ein äußerst anstrengender Tag liegt hinter mir. Ich wünsche in diesem Augenblick nicht, derart heikle Themen zu diskutieren. Gute Laune und Urteilsvermögen lassen einen da nur allzu leicht im Stich, und man sagt dann Dinge, die einmal sehr bedauert werden könnten. Ich wäre Ihnen daher zu Dank verpflichtet, wenn Sie sich auf Ihr Quartier begäben, und zwar allein, bitte.»
    «Wie Sie wünschen, Sir», sagte Shawe-Wilson, so irritierend es nur anging.
    «Und ich möchte Sie ersuchen, morgen um neun Uhr früh in meine Kabine zu kommen.»
    «Um neun? Sehr wohl, Sir.»
    «Gute Nacht, Mr. Shawe-Wilson», sagte Ebbs förmlich.
    Der Erste Offizier erwiderte nichts darauf.
    Ebbs stand noch eine Zeitlang im

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