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Käpt'n Ebbs Seebär und Salonlöwe

Käpt'n Ebbs Seebär und Salonlöwe

Titel: Käpt'n Ebbs Seebär und Salonlöwe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Gordon
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Brickwood!»
    «Sir?»
    «Einen Augenblick bitte, Mr. Brickwood.»
    Der Zweite Offizier kehrte in den Navigationsraum zurück.
    «Sie treten die Wache vier Minuten verspätet an», sagte Ebbs; seine Worte klangen so bedachtsam wie das Schlagen einer Uhr.
    Brickwood warf einen schuldbewußten Blick auf die Uhr des Navigationsraums. «Tatsächlich, Sir! Aber ich glaube nicht, daß der Dritte -»
    «Damit hat weder der Dritte Offizier noch sonst wer was zu schaffen, Mr. Brickwood», unterbrach ihn Ebbs. «Wenn die Vorschriften der Gesellschaft Ihr Erscheinen auf der Brücke um Mitternacht anordnen, haben Sie präzise um Mitternacht zu erscheinen. Außerdem scheint Ihr Aufzug eher einem Maskentreiben an Bord angemessen als einer so ernsten Aufgabe, wie es die Wache auf hoher See ist. Darf ich fragen, welche Begründung Sie zugunsten Ihrer lächerlichen und äußerst unseemännischen Aufmachung anzuführen haben?»
    Brickwood blickte überrascht auf seinen Anzug hinab. «Oh, dieser Dress, Sir? Kapitän Buckle erklärte, daß die Offiziere bei der Hundewache bequem gekleidet -»
    Ebbs hieb plötzlich so erbittert auf den Tisch, daß die Bleistifte auf den Boden hüpften.
    «Es ist mir Wurst, ob Sie unter dem Kommando Kapitän Buckles splitternackt auf der Brücke erschienen!» brüllte er. «Ich dulde einfach nicht, daß meine Offiziere hier herumlatschen wie auf einem Fischerboot! Gehen Sie hinunter, und ziehen Sie Ihre Uniform an, Mr. Brickwood. Und zwar sofort!»
    «Ja, Sir.» Brickwood sah so bestürzt aus, wie wenn ihn ein altes Schaf gebissen hätte. «Gewiß, Sir.»
    Ebbs wandte sich wieder dem Nachtordern-Band zu und schrieb weiter: «sowie die Kleidung». Sodann unterstrich er diesen Satz zweimal, sah Bowles und Jay schweigend beim Paraphieren der Seite zu und verschwand endlich auf der Leiter, die zum Deck hinabführte.
    Er war erschüttert. Die Befriedigung über diesen Abend war von seinen eigenen Offizieren zunichte gemacht worden, die jetzt, kaum daß er außer Hörweite war, zweifellos weidlich über ihn schimpfen würden. Ebbs war ein sensitiver Mann, den die eigenen unleidlichen frühen Dienstjahre mit einer ungewöhnlichen Abneigung dagegen erfüllt hatten, an seinen Untergebenen herumzunörgeln; doch ebenso eindringlich stand ihm seine Verpflichtung gegenüber der Gesellschaft vor Augen, die Disziplin aufrechtzuerhalten. Um seinen Ärger verrauchen zu lassen, beschloß er, vor dem Aufsuchen seiner Kabine noch einen Rundgang über das Bootsdeck zu unternehmen, und als zusätzliche Beruhigungsmittel entnahm er seiner Brusttasche die Zigarre, die ihm Bill Coke beim Dinner in einem Ausbruch alkoholbedingter Großmut geschenkt hatte.
    Eine Weile lehnte Ebbs seinen Rücken an die Reling, betrachtete die Rauchfahne aus dem Schornstein, die von Zeit zu Zeit die Sterne vernebelte, und lauschte dem sanften Protest des Wassers gegen die sich einschneidenden Schiffsflanken. Die Nacht war milde, das Bootsdeck lag verlassen da, nur von ein paar Lampen beleuchtet, die sorgf äl-tig gegen die Brücke zu abgeschirmt waren. Ebbs stellte Betrachtungen darüber an, daß die Passagiere der Charlemagne so frühzeitig ihre Betten aufsuchten. Er begann lässig nach achtern zu schlendern, sog an seiner Zigarre und folgte dem Rauch mit den Augen, der in wunderlichen Gebilden in der Luft verweilte und schließlich vom leichten Wind entführt wurde. Bald erfüllte ihn wieder seine alte Seelenruhe, und er begann ein paar Strophen eines Lieblingsliedes zu summen.
    Da ertönte aus einer dunklen Ecke in den Aufbauten ein Kichern, das rasch wie eine davonlaufende Ratte verstummte. Ebbs hielt inne. Als er sich bemühte, mit seinen Augen den Schlupfwinkel zu durchdringen, bemerkte er das Aufblitzen eines bestrumpften Damenbeins. Sogleich schritt er das Deck hinab, den Blick eisern aufs Meer gerichtet.
    Am hinteren Ende des Bootsdecks blieb er wieder stehen, lehnte sich an die Reling und sog starr an seiner Zigarre. Plötzlich war aus dem Zwischenraum zwischen zwei Rettungsbooten ein lautes und unmißverständliches Schnalzen zu hören. Ebbs runzelte empört die Brauen. Er setzte seinen Spaziergang langsam fort. Ein scheuer Blick in den schattigen Winkel beim achtern gelegenen Ventilator erhaschte ein eng umschlungenes sorgloses Pärchen; ähnliche entdeckte er zwischen den Rettungsbooten an Steuerbord, in den Vertiefungen der Luken des Maschinenraums, am Fuße des Schornsteins und unter den Leitern, die zu seinem eigenen Quartier

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