Käpt'n Ebbs Seebär und Salonlöwe
Navigationsraum. Er hegte durchaus nicht die Absicht, sich von irgend jemandem Trotz bieten zu lassen. Da es jedoch unmöglich war, einen Offizier vor der Rückkehr nach London hinauszuwerfen, wünschte er von ganzem Herzen, daß Shawe-Wilson ein Unfall zustieße, der ihn einigermaßen außer Gefecht setzte. Seufzend stieg er hinter dem Ersten Offizier die Leiter zu seiner Kabine hinab; schwer dröhnten seine verantwortungs- und autoritätsbewußten Schritte. Er drehte das Licht an und schloß die Tür. Peinlich berührt, blieb er schnüffelnd stehen: das Parfum der Party hing noch immer in der Luft. Erleichtert schlüpfte er aus seinem schweren Messerock - immer wieder war es köstlich, durch den Schlaf der Kommandopflichten enthoben zu werden. Ein verspäteter Einfall ließ ihn zum Barschränkchen schreiten und einen kleinen Whisky-Soda eingießen, den er in die Nachtkabine mitnahm. Als er dort das Licht anknipste, fand er Mrs. Porteous auf seinem Bett liegend vor.
«Allmächtiger Gott! » japste Ebbs.
Sie kicherte. «Ich dachte schon, Sie würden überhaupt nicht mehr kommen, Kapitänchen.»
Ebbs stellte das Glas klirrend auf seinen Toilettetisch nieder.
«Meine sehr verehrte Gnädige», sagte er, «ich muß Sie wirklich auffordern, meine Kabine unverzüglich zu verlassen.»
«Aber, aber, Liebster!» schmollte sie scherzhaft-vorwurfsvoll. «So begrüßt man doch nicht ein Mädel, nicht wahr?»
«Mrs. Porteous -»
«Elsbeth heiße ich, mein Teurer», lispelte sie.
«Verlassen Sie diesen Ort augenblicklich!»
«Ich will aber nicht, hören Sie.» Sie rekelte sich auf dem Bett, wobei sie ihm ein gutes Stück ihrer Beine zeigte. «Was werden Sie jetzt tun? Ihre Leibwache herbeirufen?»
«Ich -» Ebbs hielt inne. Er fragte sich, was er in Dreiteufelsnamen jetzt unternehmen sollte.
Sie lachte. «Geben sie mir Feuer, mein Schatz.»
Ebbs schneuzte sich voll Verzweiflung. Mit der Schnelligkeit des Denkens, die er sich in Gefahrenmomenten angeeignet hatte, entschied er, daß der einzige Hebel, sie aus seinem Bett zu bewegen, nur in feinem Takt bestehen konnte. Er nahm daher folgsam eine Streichholzschachtel von seinem Toilettetisch und entzündete ein Hölzchen. Sie hielt sein Handgelenk fest umklammert, während er ihre Zigarette in Brand setzte, und fragte: «Wie wär's mit einem kleinen Drink? »
«Haben Sie denn noch immer nicht genug?»
Sie blickte ihn neckisch an. «Heut ist mein Geburtstag.»
«Natürlich können Sie einen Drink haben», sagte Ebbs mit einem listigen Hintergedanken. «In meiner Tageskabine finden Sie alles mögliche.»
«Sie locken das Kätzchen mit dem Sahneteller, was?» lachte sie.
«Bringen Sie einen hierher, Liebster. Es ist hier um so vieles gemütlicher.»
Ebbs explodierte vor Gereiztheit. «Zum Teufel mit der Gemütlichkeit!»
«Schscht!» Sie legte den Zeigefinger auf die Lippen. «Schlagen Sie doch nicht solchen Krach, Liebster! Sie wollen doch sicher nicht, daß jedermann an Bord Sie hört? Seien Sie also ein süßer Engel, und holen Sie mir einen kleinen Drink. Dann gehe ich.»
«Werden Sie das wirklich tun?»
«Natürlich, mein Schatz.»
«Sie können meinen haben, wenn Sie wollen.» Er reichte ihr das Glas und klopfte die Bettdecke zurecht.
«Kommen Sie doch, setzen Sie sich her, und plaudern Sie ein bißchen mit mir! Kommen Sie doch, mein Liebling! » drang sie in ihn. «In einer Minute gehe ich.»
Ebbs setzte sich auf dem Bett nieder wie einer, der sich in ein überhitztes Bad hinabläßt.
«Sind Sie aber schüchtern!» neckte sie ihn. «Haben Sie denn noch nie eine kleine Freundin gehabt?»
«Ich muß Sie bitten, Madam, sich meines Ranges zu erinnern», begann Ebbs vorsichtig. Verzweiflungsvoll beschloß er, an ihre Vernunft und Gutherzigkeit zu appellieren. «Ich bin der Kapitän dieses Schiffes, und man erwartet von mir, daß ich meinen Offizieren - und auch, wie ich hinzufügen möchte, meinen Passagieren - mit gutem Beispiel vorangehe. Die leiseste Andeutung eines Skandals würde sich katastrophal auf meine Autorität auswirken. Und wahrscheinlich auch auf meinen Posten. Deshalb muß ich Sie wirklich - sofern Ihnen Entgegenkommen und Rücksicht nicht ganz unbekannte Dinge sind -ersuchen, meine Kabine so bald wie möglich zu verlassen.»
«Was ist denn das?» fragte sie und griff nach einem becherartigen Messinggerät, das oberhalb der Koje befestigt war.
«Um Gottes willen, geben Sie das aus der Hand! » Ebbs streckte den Arm aus, um es zu packen, und
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