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Käptn Snieders groß in Fahrt

Käptn Snieders groß in Fahrt

Titel: Käptn Snieders groß in Fahrt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Schrader
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lange brauchte er nicht mehr auf eine Erklärung zu warten, denn jetzt kam Herr Latternicht zur Kommandobrücke zurück und gab ihm auch so ein buntes Buch. Der Alte ergriff es vorsichtig mit seinen großen Händen, betrachtete erstaunt das farbige Titelbild, eine Viermastbark mit einem durchscheinenden bärtigen Gesicht mittendrin, und las langsam, was darüber stand:
     
    KÄPTEN SNIEDERS FLUNKERT NIE!
     
    In etwas kleinerer Schrift stand halbrechts darunter:
     
    Wenn er die Wahrheit sagt.   
     
    Weil die neugierigen Kinder in der Klasse nicht länger stillsitzen konnten, gab Herr Latternicht den größeren nun die anderen vier Bücher, die er noch in der Tasche hatte. Da war es freilich mit der Ruhe schnell vorbei. Alle drängten sich um die Bücher, blätterten, betrachteten und machten witzige Bemerkungen. Die Kleinen lachten über die vielen Zeichnungen und tupften mit den Fingern darauf, daß die Großen viel Mühe hatten, die Bücher zu schützen.
    Heini Brackwede sah ängstlich fragend zu Käpten Snieders hinüber, um zu erfahren, was er dachte. Der alte Mann hatte das Buch immer noch nicht auf geschlagen. Er starrte träumerisch auf den Titel und begriff nur ganz allmählich, daß er dieser Kopf sein sollte, der hinter den Segeln zu sehen war, und daß dieses Buch seine eigenen Geschichten enthielt. Als er nun doch den Deckel umschlug, las er unter dem Titel:
     
    Die unglaublichsten Geschichten des alten Weltumseglers.
    Gesammelt und herausgegeben
    von
    Heini Brackwede.
     
    Und jetzt endlich fing er an zu blättern und die Kapitelüberschriften zu lesen.
    Herr Latternicht stand an seiner Seite und sah ihm zu. Keiner merkte in der allgemeinen Unruhe, was in dem alten Mann vorging. Alle waren beschäftigt.
    So stand Käpten Snieders auf, ohne daß es außer dem Verleger und dem Ausguckmann jemand wahrnahm, und schlingerte auf das Krähennest zu.
    „Heini“, sagte er und seine Stimme schien ein bißchen zu zittern, „du ahnst nicht, was du damit gemacht hast!“
    Heini erschrak. Aber der Alte, der das sofort bemerkte, wischte seinen Schrecken mit einer Handbewegung weg.
    „Weißt du“, fuhr er fort, „vor den Bücherschreibern habe ich zeit meines Lebens eine große Achtung gehabt. Sie kamen mir immer beinahe so vor wie der liebe Gott. Und nun habe ich selber ein Buch geschrieben, ohne es zu merken.“
    Heini fiel bei diesen Worten eine Last von der Seele. Er strahlte den alten Mann an und sagte: „Und ich dachte schon, Sie wären böse mit mir.“
    Herr Latternicht hatte alles verstanden, weil er hinter Käpten Snieders hergegangen war.
    „Na also“, sagte er, „wußte ich’s doch, daß alles gutgehen würde. Herr Kapitän“, fuhr er fort, „darf ich Ihnen nun gleich den ersten Teil des Honorars geben, achthundertundvierzig Mark? Ich schlage vor, Sie teilen sich das Geld mit Heini, denn der hat ja auch eine ganze Menge für das Buch getan. Dieser Abschlag ist für die ersten zweitausend Bücher, über die restlichen achttausend wird am Ende jeden Jahres abgerechnet.“
    Kaum vierzehn Tage später besaßen alle Familien in Ritzenfleth das Buch von Käpten Snieders und Heini Brackwede. Sie kauften es bei Herrn Feucht, der sich fünfhundert Exemplare hatte kommen lassen. Sie lagen fein aufgestapelt zwischen Hühnerfutter und Kandiszucker.
    Natürlich waren fünfhundert Bücher zuviel für ein so kleines Dorf, aber Herr Feucht hoffte, daß auch Leute aus den Nachbardörfern bei ihm ein Buch kaufen würden. Und damit verrechnete er sich nicht.
    Unglaublich schnell lief die Mundreklame von Dorf zu Dorf. Selbst in Lemwerder wurde man neugierig auf das, was der alte Kapitän den Kindern vorgeflunkert hatte, und setzte seinen Ehrgeiz darein, das Buch an dem Ort zu kaufen, wo der dichtende Seemann lebte und Schule hielt.
    So wurde Käpten Snieders nach und nach zu einer Berühmtheit in der ganzen Wesermarsch und darüber hinaus. Sogar in Oldenburg lag sein Buch in den Schaufenstern der Buchhändler. Neugierige kamen nach Ritzenfleth, lungerten vor der Schule herum und baten den Kapitän um ein Autogramm, wenn er in der Pause auf den Hof kam oder wenn er mit seiner Dohle auf der Schulter den Heimweg antrat. Einige Aufdringliche steckten ihren Kopf sogar durch das offene Schulfenster, um etwas von den unglaublichen Geschichten zu erhaschen.
    Da wurde es Zeit, daß Herr Heinecke zurückkehrte.
    Frau Besenhoff, die fast über Nacht zu einem anderen Menschen geworden war, schrieb ihrer Schwester

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