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Kafka am Strand

Kafka am Strand

Titel: Kafka am Strand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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Verhältnis.«
    »Ha?«
    »Magst Du Hühnchen-und-Ei-Reistopf?«
    »Ja, das schmeckt Nakata.«
    »Auch das ist ein Verhältnis«, sagte der Fahrer. »Und wenn du von diesen Verhältnissen viele sammelst, ergibt sich von selbst ein tieferer Sinn daraus. Aal, Hühnchen-und-Ei-Reistopf, Bratfisch, was du willst. Verstehst du?«
    »Nein. Hat das was mit Essen zu tun?«
    »Nicht nur mit Essen. Das Gleiche gilt auch für die Eisenbahn, den Tenno, alles eben.«
    »Nakata fährt nicht Eisenbahn.«
    »Egal. Ich will damit nur sagen, dass der Mensch, solange er lebt, allem, was um ihn herum ist, ganz natürlich eine Bedeutung gibt. Das Wichtigste ist, dass es ganz von allein passiert. Dumm oder klug spielt dabei keine Rolle. Es geht nur darum, mit eigenen Augen zu sehen oder nicht zu sehen.«
    »Sie sind sehr klug, Herr Hagita.«
    Hagita lachte laut. »Nein, das ist keine Frage von Dummheit oder Klugheit. Ich bin nicht besonders klug. Ich habe nur meine eigene Art zu denken. Das stört andere oft, und sie nennen mich einen Querulanten. Wer seinen eigenen Kopf hat, ist nicht beliebt.«
    »Nakata versteht schon wieder nichts. Gibt es eine Verbindung dazwischen, dass Nakata gern Aal und Hühnchen-Ei-Topf isst?«
    »Kurz gesagt, ja. Zwischen der Person Nakata und den Dingen, die Nakata betreffen, entsteht immer eine Verbindung. Gleichzeitig gibt es eine Verbindung zwischen dem Aal und dem Hühnchen-Ei-Topf. Wenn man dieses Schema immer weiter ausdehnt, kommt man ganz natürlich irgendwann bei dem Verhältnis zwischen Nakata und den Kapitalisten und Nakata und dem Proletariat an.«
    »Pro –«
    »Proletariat.« Hagita nahm seine riesigen Hände vom Steuer und zeigte sie Nakata. Nakata musste an Baseballhandschuhe denken.
    »Die Menschen, die im Schweiß ihres Angesichts schuften, sind das Proletariat. Dagegen gibt es die Kapitalisten, die auf Stühlen sitzen, sich nie bewegen, andere herumkommandieren und dabei hundertmal so viel verdienen wie unsereins.«
    »Diese Kapitalisten kennt Nakata nicht. Nakata ist ein armer Mann und kaum mit besseren Leuten bekannt. Er kennt nur den Herrn Gouverneur in Tokyo. Ist der auch Kapitalist?«
    »Na klar, die Gouverneure sind meist auch Kapitalistenhunde.«
    »Der Herr Gouverneur ist ein Hund?« Nakata fiel der große schwarze Hund ein, der ihn zu Johnnie Walkers Haus gebracht hatte und dessen bedrohliche Gestalt er mit dem Gouverneur in Verbindung brachte.
    »Auf der Welt wimmelt es von diesen Hunden. Sie sind Speichellecker.«
    »Speichellecker?«
    »Sie kriechen wie Hunde.«
    »Gibt es auch Kapitalistenkatzen?«, fragte Nakata.
    Darauf brach Hagita in lautes Gelächter aus. »Du bist wirklich komisch, Nakata. Ich liebe Leute wie dich. Kapitalistenkatzen, sagt er. Wirklich einmalig.«
    »Herr Hagita?«
    »Ja?«
    »Nakata ist arm und bekommt jeden Monat eine Unterstützung vom Herrn Gouverneur. Gehört sich das vielleicht nicht?«
    »Wie viel kriegst du denn im Monat?«
    Nakata nannte die Summe. Hagita schüttelte sprachlos den Kopf.
    »Ganz schön schwierig, heutzutage mit dem bisschen über die Runden zu kommen, was?«
    »Nein, gar nicht. Nakata braucht nicht viel Geld. Und außerdem sucht er in der Nachbarschaft verloren gegangene Katzen und bekommt Geld dafür.«
    »Du bist also professioneller Katzenfänger«, sagte Hagita beeindruckt. »Ich gebe mich geschlagen – du bist wirklich einmalig!«
    »Ehrlich gesagt, kann Nakata mit den Katzen reden«, klärte Nakata ihn kurz entschlossen auf. »Nakata kann die Katzensprache. Deshalb kann er alle Katzen finden, die sich verlaufen haben.«
    Hagita nickte. »Verstehe. Es würde mich nicht wundern, wenn du das könntest.«
    »Aber seit kurzem kann Nakata auf einmal nicht mehr mit den Katzen reden. Wie kommt das nur?«
    »Die Welt ändert sich von Tag zu Tag. Jeden Tag ein neuer Morgen, aber es ist nie dieselbe Welt wie am Tag davor. Verstehst du?«
    »Jawohl.«
    »Die Verhältnisse ändern sich auch. Wer Kapitalist ist und wer Proletarier. Wo rechts ist und wo links ist. Da gibt es die Informationsrevolution, die Aktienkurse, die laufenden Aktiva, die Umstrukturierung des Arbeitsmarktes, die multinationalen Konzerne – was gut ist, was schlecht ist, die Grenzen der Dinge lösen sich allmählich auf. Dass du die Katzensprache nicht mehr kannst, liegt vielleicht auch daran.«
    »Nakata kann unterscheiden, wo rechts und links ist – hier ist rechts und da ist links. Stimmt’s?«
    »Genau«, bestätigte Hagita. »Richtig.«
    Zum Schluss aßen die

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