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Kafka am Strand

Kafka am Strand

Titel: Kafka am Strand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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Schokolade.
    »Nehmen Sie das als Wegzehrung, Herr Nakata. Wenn Sie Hunger bekommen.« Nakata bedankte sich vielmals.
    »Aufrichtigsten Dank. Sie sind so nett. Wie kann Nakata Ihnen nur danken. Nakata möchte sich gern revanchieren.«
    »Der beste Dank ist, wenn alles gut geht«, sagte das braunhaarige Mädchen, und die Schwarzhaarige kicherte ein bisschen.
     
    Der junge Mann namens Tougeguchi verfrachtete Nakata auf den Beifahrersitz seines High Ace und fuhr über eine innerstädtische Schnellstraße auf die Tomei-Autobahn. Der Verkehr kam nur stockend voran, sodass die beiden Zeit hatten, sich zu unterhalten. Tougeguchi war ein eher schüchterner Mensch und sagte am Anfang fast nichts, aber als er sich an Nakata gewöhnt hatte, bestritt er das Gespräch so gut wie allein. Er hatte eine Menge auf dem Herzen, das er Nakata vorbehaltlos anvertraute, vielleicht weil er ihm aller Wahrscheinlichkeit nach nie wieder begegnen würde. Dass seine Verlobte sich vor ein paar Monaten von ihm getrennt hatte, weil sie sich in einen anderen verliebt hatte. Dass sie diesen Umstand lange für sich behalten und sich mit beiden Männern getroffen hatte. Dass er mit seinem Vorgesetzten nicht zurechtkam und erwog zu kündigen. Dass seine Eltern sich hatten scheiden lassen, als er an der Mittelschule war. Dass seine Mutter sich gleich wieder verheiratet hatte und ihr neuer Mann im Grunde ein nichtsnutziger Hochstapler war. Dass er die erhebliche Summe, die er einem guten Freund geliehen hatte, nicht zurückbekam. Dass der Student im Apartment neben ihm nachts die Musik so laut aufdrehte, dass er nicht schlafen konnte.
    Nakata hörte brav zu, bekundete hin und wieder seine Anteilnahme mit einem Brummen oder gab einen bescheidenen Kommentar ab. Als der Wagen zum Kohoku-Parkplatz abbog, wusste Nakata fast alles über das Leben des jungen Mannes. Er hatte vieles nicht verstanden, aber im Großen und Ganzen doch erfasst, dass Tougeguchi ein bedauernswerter, vom Pech verfolgter junger Mann war, auch wenn er keinen anderen Wunsch hegte, als ein anständiges Leben zu führen.
    »Vielen Dank. Dass Sie Nakata hierher gebracht haben, war eine große Hilfe.«
    »Keine Ursache, die Fahrt mit Ihnen war sehr angenehm, Herr Nakata. Ich fühle mich richtig erleichtert. Es war toll, sich einmal alles von der Seele reden zu können. Bisher konnte ich noch nie mit jemandem so reden. Bestimmt bin ich Ihnen mit meinem Gejammer ganz schön auf den Wecker gefallen.«
    »Nein, überhaupt nicht. Nakata hat sich gern mit Herrn Tougeguchi unterhalten. Es war überhaupt keine Last. Machen Sie sich keine Gedanken. Nakata wünscht Ihnen von jetzt an alles Gute.«
    Der junge Mann zog eine Telefonkarte aus seiner Brieftasche und überreichte sie Nakata. »Die schenke ich Ihnen. Unsere Firma stellt sie her. Auch wenn sie nicht direkt als Wegzehrung geeignet ist.«
    »Vielen Dank«, sagte Nakata, nahm die Karte entgegen und verstaute sie sorgfältig in seiner Brieftasche. Er rief zwar nie jemanden an und wusste auch gar nicht, wie man eine Telefonkarte benutzt, wollte aber nicht ablehnen. Inzwischen war es drei Uhr am Nachmittag.
     
    Schon eine Stunde später fand er einen Fernfahrer, der ihn bis Fujikawa mitnahm. Es war ein Kühllaster, der frischen Fisch transportierte.
    Der Fahrer war etwa Mitte vierzig und dick, hatte Arme wie Baumstämme und einen ordentlichen Bauch.
    »Wenn Ihnen der Fischgeruch nichts ausmacht«, sagte er zu Nakata.
    »Nakata mag Fisch«, erwiderte der.
    Der Fahrer lachte. »Sie sind ja komisch.«
    »Ja, das sagen die Leute immer wieder.«
    »Ich mag komische Menschen«, erklärte der Fahrer. »Wer es auf dieser Welt schafft, ohne eine Miene zu verziehen ein normales Leben zu führen, dem ist nicht trauen.«
    »Tatsächlich?«
    »Aber sicher. Das ist meine Meinung.«
    »Nakata hat eigentlich keine Meinung. Er mag Aal.«
    »Das ist auch eine Meinung – Aal zu mögen.«
    »Aal ist auch eine Meinung?«
    »Uhmhm. Sogar eine prima Meinung.«
    Unter solchen Gesprächen fuhren die beiden in Richtung Fujikawa. Der Fahrer hieß Hagita.
    »Nakata, alter Knabe, was meinst du, was wird jetzt aus der Welt?«, fragte er.
    »Es tut mir leid, aber weil Nakata dumm ist, versteht er überhaupt nichts von so was.«
    »Eine eigene Meinung haben und klug oder dumm sein sind zwei verschiedene Dinge.«
    »Aber Herr Hagita, wer dumm ist, kann doch gar nicht erst nachdenken.«
    »Aber du magst doch auch Aal. Stimmt’s?«
    »Ja, sehr.«
    »Also hast du dazu ein

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