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Kafka am Strand

Kafka am Strand

Titel: Kafka am Strand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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beiden in der Raststätte. Hagita bestellte Aal für zwei Personen und bezahlte. Zum Dank fürs Mitnehmen wollte eigentlich Nakata die Rechnung begleichen, aber Hagita schüttelte den Kopf.
    »Lass mal. Ich bin nicht reich, aber so arm, dass ich mich an deinen paar Gouverneurskröten satt esse, bin ich auch nicht«, sagte er.
    »Vielen Dank für die Einladung«, sagte Nakata.
     
    Nachdem Nakata ungefähr eine Stunde bei den Fahrern in der Raststätte Fujikawa herumgefragt hatte, hatte er immer noch keine Mitfahrgelegenheit gefunden. Dennoch wurde er nicht nervös und fühlte sich auch nicht besonders niedergeschlagen. In seinem Bewusstsein verging die Zeit sehr langsam. Oder eigentlich fast überhaupt nicht.
    Zur Abwechslung ging er ins Freie und spazierte ziellos in der Gegend umher. Am Himmel stand keine Wolke, und die Oberfläche des Mondes war deutlich zu sehen. Während Nakata über den Parkplatz schlenderte, klackte die Spitze seines Regenschirms auf dem Asphalt. Er versank eine Weile in die Betrachtung der vielen riesigen Lastwagen, die sich dort Schulter an Schulter wie große Tiere auszuruhen schienen. Einige von ihnen hatten zwanzig mannshohe Räder. Dass so große Wagen mitten in der Nacht auf so vielen Straßen fuhren! Was sie wohl geladen hatten? Er konnte es sich nicht vorstellen. Ob er, wenn er die Zeichen auf ihren Containern lesen könnte, erfahren würde, was darin war?
    Als er ein Stück gegangen war, sah er am Rand des Parkplatzes im Schatten der Laster ungefähr zehn Motorräder stehen. Ein paar junge Männer standen im Kreis herum und schrieen durcheinander. Sie schienen etwas zu umringen. Neugierig ging Nakata zu ihnen hinüber, um nachzusehen. Bestimmt hatten sie etwas Interessantes entdeckt.
    Als er näher kam, erkannte er, dass die jungen Männern auf einen anderen in ihrer Mitte einschlugen, ihn traten und misshandelten. Fast alle benutzten ihre nackten Fäuste, aber einer hatte eine Kette. Ein anderer hielt einen schwarzen Stock in der Hand, der aussah wie ein Polizeiknüppel. Fast alle hatten blond oder braun gefärbtes Haar. Sie trugen offene Hemden, T-Shirts oder Muskelshirts. Einige hatten Tätowierungen auf den Schultern. Der junge Mann, der am Boden lag und auf den sie einschlugen und -traten, sah nicht anders aus. Als Nakata mit klackender Schirmspitze näher kam, drehten sich ein paar von ihnen um und sahen ihn wachsam an. Sobald sie begriffen hatten, dass er ein harmloser alter Mann war, ließ ihr Argwohn nach.
    »He Opa, komm ruhig rüber«, rief einer.
    Unbeeindruckt ging Nakata auf sie zu. Der am Boden liegende Junge blutete aus dem Mund.
    »Er blutet und wird sterben«, sagte Nakata.
    Verblüfft verstummten die Männer für einen Moment.
    »He Alter, sollen wir dich auch gleich fertigmachen?«, sagte der mit der Kette schließlich.
    »Einen umzubringen oder zwei macht keinen Unterschied.«
    »Man darf keinen ohne Grund umbringen«, sagte Nakata.
    »Man darf keinen ohne Grund umbringen«, äffte einer ihn nach, und die anderen lachten.
    »Wir haben schon unsere Gründe. Ob wir einen abmurksen oder nicht, geht dich einen Scheiß an. Hau bloß ab mit deinem Schirm, bevor es regnet«, sagte ein anderer.
    Der am Boden liegende Mann wand sich, worauf ihn ein Glatzkopf mit seinem schweren Stiefel beiläufig in die Seite trat.
    Nakata schloss die Augen. Er fühlte, wie irgendetwas in seinem Körper leise anfing zu brodeln. Etwas, das er nicht kontrollieren konnte. Er verspürte leichte Übelkeit. Plötzlich überkam ihn die Erinnerung daran, wie er Johnnie Walker erstochen hatte. Er fühlte das Messer, das er dem anderen in die Brust gestoßen hatte, wieder deutlich in seiner Hand. Verhältnis, dachte Nakata. Ob das eines von diesen Verhältnissen war, von denen Hagita gesprochen hatte? Aal = Messer = Johnnie Walker. Die Stimmen der Männer verschwammen, sodass er sie nicht mehr richtig unterscheiden konnte, und verschmolzen mit dem unablässigen Rauschen der Reifen auf der Autobahn zu einem eigenartigen Ton. Nakatas Herz krampfte sich zusammen und pumpte Blut bis in die äußersten Winkel seines Körpers. Nacht hüllte ihn ein.
    Nakata schaute zum Himmel, spannte dann langsam seinen Schirm auf und hielt ihn sich über den Kopf. Vorsichtig trat er ein paar Schritte zurück. Als die Männer das sahen, lachten sie.
    »Krass, der Alte«, sagte einer. »Der spannt echt seinen Schirm auf.« Doch das Lachen verging ihnen auf der Stelle, denn plötzlich fiel ungewohnt Glitschiges vom

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