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Kafka am Strand

Kafka am Strand

Titel: Kafka am Strand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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Erzählungen, Romanen, Biografien und Geschichtsbüchern in die Hände fiel. Nachdem ich die meisten Bücher für Kinder gelesen hatte, wechselte ich zu den allgemeinen Regalen über und las nun Bücher für Erwachsene. Selbst die, die ich nicht verstand, las ich bis zur letzten Seite durch. Wenn ich keine Lust mehr hatte, setzte ich mich in eine der Kabinen mit Kopfhörern und hörte Musik. Da ich so gut wie keine Ahnung von Musik hatte, hörte ich mir einfach von rechts der Reihe nach jede einzelne Platte an. So machte ich zufällig die Bekanntschaft von Duke Ellington, Led Zeppelin und den Beatles.
    Die Bücherei war mein zweites Zuhause, wahrscheinlich sogar mein wahres Zuhause. Durch meine täglichen Besuche kannte ich vom Sehen sämtliche Bibliothekarinnen. Mit der Zeit merkten sie sich meinen Namen, begrüßten mich und sagten oft ein paar freundliche Worte zu mir. (Da ich so grauenhaft schüchtern war, brachte ich freilich nur selten eine Antwort zustande.)
    Am Stadtrand von Takamatsu liegt eine Privatbibliothek, die früher zum Haus einer alten, wohlhabenden Familie gehört hat. Sie besitzt eine Sammlung seltener Bücher, und die Villa und der Garten gelten ebenfalls als sehenswert. Ich habe einmal ein Bild dieser Bibliothek in der Zeitschrift »Die Sonne« gesehen. Es ist ein altes Haus im japanischen Stil mit einem eleganten, salonähnlichen Lesesaal, in dem man auf bequemen Sesseln sitzen und lesen kann. Das Bild zog mich ungewöhnlich stark an, und so habe ich mir fest vorgenommen, die Villa bei Gelegenheit zu besuchen. Sie heißt Komura-Gedächtnisbibliothek.
    Als ich mich im Fremdenverkehrsamt am Bahnhof nach dem Weg zur Komura-Gedächtnisbibliothek erkundige, händigt mir die freundliche Dame mittleren Alters am Schalter einen Stadtplan für Touristen aus, markiert die Bibliothek mit einem Kreuz und erklärt mir, welche Bahn ich nehmen muss. Die Fahrt dauere nicht mehr als zwanzig Minuten. Ich bedanke mich und frage noch nach den Abfahrtszeiten. Die Bahn fährt alle zwanzig Minuten. Da ich bis zur nächsten noch etwas Zeit habe, kaufe ich mir im Bahnhof eine einfache Lunchbox.
    Die kurze Straßenbahn, die nur aus zwei Waggons besteht, durchquert die belebte Einkaufsstraße, an der die Gebäude dicht an dicht stehen, lässt ein Viertel mit kleinen Geschäften und Wohnhäusern hinter sich und fährt an Fabriken und Lagerhäusern, an Parks und Apartmentblocks vorbei. Das Gesicht an die Scheibe gepresst, betrachte ich fasziniert die unbekannte Umgebung. Alles ist neu für mich, der ich bisher außer Tokyo kaum eine andere Stadt zu Gesicht bekommen habe. Der Morgen geht zu Ende, und die Bahn ist leer, doch an einer Haltestelle gegenüber drängen sich sommerlich gekleidete Mittel- und Oberschüler mit ihren Schultaschen. Offenbar sind sie auf dem Weg zur Schule. Im Gegensatz zu mir. Als Einziger fahre ich in die entgegengesetzte Richtung. Ich befinde mich auf einer anderen Schiene als sie. Da schnürt mir auf einmal etwas die Kehle ab, als würde die Luft um mich herum plötzlich dünner. Habe ich wirklich das Richtige getan? Bei diesem Gedanken fühle ich mich entsetzlich verloren und muss mich zwingen, nicht mehr zu ihnen hinüberzusehen.
    Nach einer kurzen Strecke am Meer entlang führen die Schienen ins Landesinnere, wo es hoch gewachsene Maisfelder und Spaliertrauben gibt und Mandarinenplantagen sich die Hänge hinaufziehen. Hier und da blinken Wasserreservoire, in denen sich das Morgenlicht spiegelt. Ein kühler Bach schlängelt sich durch die Ebene, deren freie Flächen von grünen Sommergräsern bedeckt sind. Hunde wachen an den Schienen und behalten die vorbeifahrende Bahn im Auge. Beim Anblick dieser Landschaft dringen wieder warme und heitere Empfindungen in mein Herz ein. Alles ist gut, beruhige ich mich, nachdem ich tief durchgeatmet habe. Ich muss einfach nur vorwärtsgehen.
    Von der Haltestelle aus gehe ich, wie man es mir beschrieben hat, an einer Reihe traditioneller Häuser entlang in Richtung Norden. Zu beiden Seiten der Straße fügt sich endlos eine Hauseinfriedung an die andere. Zum ersten Mal im Leben sehe ich so viele Arten davon – schwarze Holzzäune, weiße Mauern, Mauern aus Granit und Mauern, auf denen Pflanzen wachsen. Es ist still, und kein Mensch ist zu sehen. Auch Autos fahren nur selten vorbei. In der Luft liegt der leichte Geruch des Meeres, das ganz in der Nähe sein muss. Ich lausche, aber ich höre kein Rauschen. Ein Stück weiter weg ist wohl eine Baustelle, denn von

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