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Kafka am Strand

Kafka am Strand

Titel: Kafka am Strand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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Stadtplan völlig gelb. Es gab kaum noch eine Straße in der Stadt, die die unauffälligen Reifen des Mazda Familia nicht durchquert hatten. Aber das Gesuchte war immer noch nicht gefunden.
    »Was suchen wir denn nur –«, sang Hoshino wieder mit kraftloser Stimme ins Blaue hinein.
     
    »Noch nicht, noch nicht gefunden durch die ganze Stadt geschunden die Ärsche tun uns weh wollen wir nicht bald nach Hauseee?«
     
    »Wenn das so weitergeht, werde ich noch ein waschechter Chansonnier«, sagte Hoshino.
    »Was ist denn das?«, fragte Nakata.
    »Ach, nichts weiter. Nur ein harmloser Scherz.«
    Resigniert verließen die beiden die Innenstadt von Takamatsu, um auf der Landstraße zu ihrer Wohnung zurückzufahren. In Gedanken versunken, bog Hoshino jedoch an der falschen Stelle nach links ab. Er versuchte, wieder auf die ursprüngliche Route zurückzukommen, aber durch die seltsame Straßenführung und wegen der vielen Einbahnstraßen verlor er die Orientierung. Binnen kurzem gerieten die beiden in ein Wohnviertel, an das sie sich nicht erinnern konnten. Vornehme alte, von hohen Mauern umgebene Häuser reihten sich an der ungewöhnlich ruhigen und menschenleeren Straße.
    »Entfernungsmäßig sind wir wahrscheinlich gar nicht so weit von unserem Haus weg, aber ich hab keine Ahnung, wo genau wir hier sind.« Hoshino fuhr auf einen freien Platz, stellte den Motor ab, zog die Handbremse an und breitete den Stadtplan aus. Er hielt nach einem Strommast Ausschau, auf dem der Name des Viertels stand, und suchte die Stelle dann auf dem Stadtplan. Aber seine müden Augen konnten nichts entdecken.
    »Herr Hoshino?«, sprach ihn Nakata an.
    »Was ist?«
    »Entschuldigen Sie, wenn Nakata Sie stört, aber auf dem Schild dort an dem Tor steht doch etwas, oder?«
    Hoshino schaute vom Stadtplan auf und in die Richtung, in die Nakata deutete. Da war eine hohe Mauer und kurz dahinter ein altmodisches Tor, neben dem ein großes Holzschild hing. Die schwarzen Türen des Tors waren fest verschlossen.
    »Komura-Gedächtnisbibliothek …«, las Hoshino. »Dass es in dieser ruhigen Gegend eine Bibliothek gibt! Außerdem sieht sie gar nicht aus wie eine Bibliothek. Eher wie eine Privatvilla.«
    »Komura-Gedächtnisbibliothek?«
    »Genau. Wahrscheinlich ist die Bibliothek zum Andenken an einen, der Komura heißt, eingerichtet worden. Aber ich hab null Ahnung, wer dieser Komura ist.«
    »Herr Hoshino?«
    »Was denn?«, antwortete Hoshino, während er den Stadtplan studierte.
    »Dort ist es.«
    »Dort ist was?«
    »Was Nakata die ganze Zeit gesucht hat, ist da drin.«
    Hoshino schaute vom Stadtplan auf und sah Nakata in die Augen. Dann starrte er mit gerunzelter Stirn das Tor zur Bibliothek an. Langsam las er noch einmal die Zeichen auf dem Schild. Er nahm sein Päckchen Marlboro, steckte sich eine in den Mund und zündete sie mit seinem Plastikfeuerzeug an. Langsam inhalierte er den Rauch und blies ihn durch das offene Fenster nach draußen.
    »Wirklich?«
    »Ja. Kein Zweifel.«
    »Ein beängstigender Zufall, oder?«, sagte Hoshino.
    »Ja, wirklich«, pflichtete Nakata ihm bei.

39
    Mein zweiter Tag in den Bergen verstreicht wie immer langsam und gleichförmig. Der einzige Unterschied, den es zwischen dem einen und dem anderen Tag geben mag, ist das Wetter. Wenn das Wetter ähnlich bleibt, verliere ich jedes Zeitgefühl. Die Unterschiede zwischen gestern und heute und heute und morgen verschwimmen. Ziellos wie ein Schiff auf dem weiten Ozean, das seinen Anker verloren hat, treibt die Zeit dahin.
    Ich rechne mir aus, dass es Dienstag ist. Wie üblich wird Saeki-san ihre kleine Tour durch die Bibliothek veranstalten – selbstverständlich nur, wenn es Interessenten gibt. Wie an dem Tag, als ich zum ersten Mal durch das Tor der Komura-Gedächtnisbibliothek gegangen bin … Das Klacken ihrer hohen Absätze, wenn sie die Treppe hinaufsteigt, hallt durch die Stille der Bibliothek. Das Schimmern ihrer Strümpfe, ihre blütenweiße Bluse, die kleinen Perlohrringe, der Montblanc-Füller auf dem Schreibtisch und ihr mildes Lächeln (auf dem die langen Schatten des Verzichts liegen) – all das erscheint mir so unendlich weit fort, dass ich beinahe das Gefühl habe, es sei nicht real.
    Während ich auf dem Sofa in der Hütte den Duft des verblichenen Stoffes einatme, stelle ich mir wieder vor, wie wir zusammen geschlafen haben. Eine nach der anderen beschwöre ich die Erinnerungen herauf und lasse sie in Gedanken Revue passieren. Langsam entkleidet sie

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