Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kafka am Strand

Kafka am Strand

Titel: Kafka am Strand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
Vom Netzwerk:
Mühe schaffte er es, sich zu konzentrieren. Sooft sie einem Polizeiwagen begegneten, wich Hoshino den Blicken der Beamten aus. Er vermied es möglichst, an Polizeiwachen vorbeizufahren. Auch wenn der Mazda Familia wirklich unauffällig war, würde die Polizei sie vielleicht doch anhalten, wenn er allzu oft gesehen wurde. Obendrein musste er höllisch aufpassen, dass er nicht aus Versehen auf einen anderen Wagen auffuhr.
    Während Hoshino beim Fahren den Stadtplan las, starrte Nakata, beide Hände auf der Fensterscheibe wie ein Kind oder ein braver Hund, unentwegt nach draußen. Offenbar hielt er konzentriert nach etwas Ausschau. In ihre jeweilige Aufgabe vertieft, schwiegen die beiden bis zum Abend fast die ganze Zeit.
    »Was suchen wir denn nur –«, sang Hoshino fast schon verzweifelt, ein Lied von Yosui Inoue. Da er den übrigen Text vergessen hatte, erfand er selbst etwas Passendes.
     
    »Noch nicht, noch nicht gefunden Langsam geht die Sonne unter Hoshino hat Hunger Noch immer fahren wir rum und schauen uns um.«
     
    Gegen sechs Uhr kehrten sie in die Wohnung zurück.
    »Morgen machen wir weiter, Herr Hoshino«, sagte Nakata.
    »Wir haben heute den ganzen Tag die Stadt abgefahren, da bleibt für morgen vielleicht kaum mehr was übrig«, sagte Hoshino. »Aber ich möchte dich was fragen.«
    »Jawohl, Herr Hoshino. Was denn?«
    »Was hast du vor, wenn wir in Takamatsu nichts finden?«
    Nakata rieb sich den Kopf. »Dann vergrößern wir den Kreis.«
    »Aha«, sagte der junge Mann. »Und wenn wir dann immer noch nichts finden?«
    »Dann vergrößern wir den Kreis noch mehr«, sagte Nakata.
    »Also erweitern wir unseren Radius so lange, bis wir es gefunden haben, oder? Wie Hunde immer auf einen Laternenpfahl stoßen.«
    »Jawohl. Ich denke schon«, sagte Nakata. »Aber eins versteht Nakata nicht. Wieso stoßen die Hunde auf den Laternenpfahl? Ich dachte, die Hunde gehen um den Pfahl herum.«
    Hoshino schüttelte verwundert den Kopf. »Eigentlich hast du Recht. Das ist mir bisher nie aufgefallen, aber warum stoßen Hunde überhaupt immer auf Laternenpfähle?«
    »Komisch.«
    »Ist ja auch egal«, sagte Hoshino. »Wenn wir jetzt auch noch darüber nachdenken, wird die Geschichte immer komplizierter. Das Problem mit den Hunden und den Pfählen lassen wir erst mal beiseite. Was ich wissen möchte, ist, bis wohin wir unsere Suche ausdehnen. Wenn wir nicht aufpassen, sind wir plötzlich in der Präfektur Ehime oder in Kochi. Es könnte sein, dass darüber der Sommer vergeht und es Herbst wird.«
    »Kann sein. Aber Herr Hoshino, auch wenn es Herbst oder Winter wird, Nakata muss es finden. Natürlich können Sie Nakata nicht für immer helfen. Später geht er allein zu Fuß auf die Suche.«
    »Aber das ist doch …«, stotterte Hoshino. »Kann uns der Stein denn nicht doch ein paar genauere, gut gemeinte Ratschläge geben? In welcher Gegend ungefähr wir suchen sollen oder so. Ungefähr würde ja schon reichen.«
    »Entschuldigung, aber der Stein ist sehr schweigsam.«
    »Ja. Dass er schweigsam ist, sieht man ihm irgendwie an«, sagte Hoshino. »Schwimmen gehört wahrscheinlich auch zu seinen Schwächen. Die ganze Grübelei bringt jetzt auch nichts. Am besten, wir schlafen uns erst mal aus und sehen morgen weiter.«
     
    Am nächsten Tag wiederholte sich das Ganze. Hoshino fuhr nach dem gleichen Muster wie am Vortag die westliche Hälfte der Stadt ab. Straße um Straße markierte er mit dem gelben Leuchtstift. Der einzige Unterschied bestand darin, dass der junge Mann immer öfter gähnte. Nakata sah unverändert aus dem Fenster und hielt mit ernster Miene Ausschau. Die beiden sprachen kaum miteinander. Hoshino lenkte und gab auf Polizisten Acht, während Nakata unermüdlich spähte. Was sie suchten, fanden sie freilich nicht.
    »Heute ist Montag, nicht?«, fragte Nakata.
    »Ja, da gestern Sonntag war, ist heute Montag«, sagte der junge Mann und sang fast verzweifelt eine bekannte Melodie mit Worten, die er sich dazu ausgedacht hatte.
     
    »Ist heute Montag, kommt morgen Dienstag.
    Die Ameise ist als Arbeiter wohlbekannt Doch die Schwalbe ist stets elegant.
    Hoch ist der Schlot, die Abendsonne ist rot.«
     
    »Herr Hoshino?«, sagte Nakata kurze Zeit später.
    »Was ist?«
    »Ameisen kann man ewig bei der Arbeit zusehen und man sieht sich nicht satt.«
    »Stimmt«, sagte Hoshino.
    Um die Mittagszeit gingen die beiden in ein Aal-Restaurant. Um drei suchten sie sich ein Café und tranken Kombucha. Bis sechs Uhr war der

Weitere Kostenlose Bücher