Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kafka am Strand

Kafka am Strand

Titel: Kafka am Strand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
Vom Netzwerk:
freundlich führte sie die beiden durch die Bibliothek.
    Nach etwa zwanzig Minuten war die Besichtigung beendet. Die beiden bedankten sich bei Frau Saeki. Während der ganzen Führung war ihr Lächeln nicht versiegt, und doch verwunderte Hoshino ihr Verhalten. Sie sieht uns lächelnd an, dachte er, aber eigentlich sieht sie uns gar nicht. Sie sieht gleichzeitig etwas ganz anderes. Und während sie spricht, denkt sie an etwas anderes. Sie ist so höflich und liebenswürdig, beantwortet jede Frage freundlich und leicht verständlich, aber mit dem Herzen scheint sie nicht bei der Sache zu sein. Nicht, dass sie das hier ungern täte, teilweise hat sie sogar Freude daran, ihre praktische Aufgabe so akkurat zu erledigen. Aber in Gedanken ist sie ganz woanders.
    Die beiden kehrten in den Lesesaal zurück, setzten sich in die Sessel und blätterten schweigend in ihren Büchern. Dabei musste Hoshino wieder an Frau Saeki denken. Diese schöne Dame hatte etwas Eigenartiges an sich, das er nicht in Worte fassen konnte.
    Um drei Uhr stand Nakata unvermittelt auf, und zwar mit einer für ihn ungewöhnlich entschlossenen, energischen Bewegung. Er griff nach seiner Mütze.
    »He, alter Freund, wohin?«, fragte Hoshino leise. Aber Nakata antwortete nicht. Die Lippen fest zusammengepresst, lief er hastig in Richtung Flur. Seine Sachen ließ er auf dem Boden stehen. Hoshino klappte sein Buch zu und stand auf. Irgendetwas stimmte da nicht.
    »He, warte«, sagte er. Als er begriff, dass Nakata nicht warten würde, rannte er hinter ihm her. Die anderen Leser hoben die Köpfe und schauten den beiden nach.
    Nakata bog vor dem Flur nach links ein und begann ohne zu zögern, die Treppe hinaufzusteigen. Am Eingang der Treppe stand ein Schild »Zutritt für Unbefugte verboten«, aber Nakata ignorierte es – er konnte es ja ohnehin nicht lesen. Die abgetragenen Gummisohlen seiner Turnschuhe quietschten auf den Stufen.
    »Hallo, Entschuldigung«, rief Oshima ihm nach, über die Theke gebeugt. »Sie können da nicht hinauf.«
    Aber Nakata schien ihn nicht zu hören. Hoshino rannte hinter ihm her die Treppe hoch. »He, Nakata, das geht nicht, da darf man nicht rauf.« Oshima kam hinter der Theke hervor und lief nun seinerseits hinter Hoshino her die Treppe hoch.
    Unbeirrt schritt Nakata den Gang entlang und betrat Frau Saekis Büro, dessen Tür wie üblich offen stand. Sie saß mit dem Rücken zum Fenster am Schreibtisch und las. Als sie die Schritte hörte, hob sie den Kopf und sah Nakata an. Er kam an den Schreibtisch, blieb stehen und sah ihr geradewegs ins Gesicht. Keiner von ihnen sagte etwas. Gleich danach kam Hoshino ins Zimmer und kurz hinter ihm Oshima.
    »Alter Freund, was machst du denn?«, sagte Hoshino und legte Nakata von hinten die Hand auf die Schulter. »Hier darf man nicht einfach so rein. Das ist eine Regel. Lass uns lieber wieder zurückgehen.«
    »Nakata muss Ihnen etwas sagen«, sagte Nakata zu Frau Saeki.
    »Was möchten Sie mir denn sagen?«, fragte sie freundlich.
    »Etwas über den Stein. Nakata möchte etwas über den Eingangsstein sagen.«
    Frau Saeki blickte Nakata einige Augenblicke wortlos an. In ihren Augen lag ein schrecklich kaltes Leuchten. Dann blinzelte sie mehrmals und schloss ruhig das Buch, in dem sie gerade gelesen hatte. Sie legte die Hände nebeneinander auf den Schreibtisch und sah wieder zu Nakata auf. Sie wirkte, als sei sie unschlüssig, was sie tun sollte. Dann nickte sie einmal kurz und sah zu Hoshino, dann zu Oshima hin.
    »Würden Sie uns beide wohl einen Moment allein lassen?«, sagte sie zu Oshima. »Ich habe mit dem Herrn zu sprechen. Und schließen Sie bitte die Tür.«
    Oshima war einen Moment lang verdutzt, dann aber nickte er. Sacht nahm er Hoshino am Ellbogen, ging mit ihm in den Korridor und schloss die Tür zum Büro.
    »Geht das denn in Ordnung?«, fragte Hoshino.
    »Saeki-san hat ein gutes Urteilsvermögen«, erwiderte Oshima, während er mit dem jungen Mann die Treppe hinunterging. »Wenn sie sagt, es ist in Ordnung, dann ist es das auch. Da braucht man sich keine Sorgen zu machen. Kommen Sie, Herr Hoshino, trinken wir einen Kaffee.«
    »Sich Sorgen wegen Nakata zu machen, das kann man sich glatt sparen, aber ehrlich«, sagte Hoshino kopfschüttelnd.

41
    Dieses Mal rüste ich mich für mein Vorhaben, weiter in den Wald vorzudringen. Kompass, Messer, Wasserflasche und Proviant, Arbeitshandschuhe, eine Spraydose mit gelber Farbe, die ich in der Werkzeugtasche entdeckt habe, und ein

Weitere Kostenlose Bücher