Kafka am Strand
machen.«
»Jawohl«, pflichtete Nakata ihr bei, obwohl er nichts begriff.
Sodann entspann sich zwischen den beiden Katzen ein rascher Dialog, dessen Inhalt Nakata nicht folgen konnte. Mimi fragte mit scharfer Stimme, und Kawamura antwortete eingeschüchtert. Wenn seine Antwort auf sich warten ließ, versetzte sie ihm gnadenlos einen Schlag mit der flachen Pfote. Sie war eine sehr tüchtige Siamkatze. Und gebildet. Nakata war schon allen möglichen Katzen begegnet und hatte sich mit ihnen unterhalten, aber eine, die Automarken kannte und Opern hörte, lernte er zum ersten Mal kennen. Bewundernd beobachtete er ihr zielstrebiges und rasches Vorgehen.
Als Mimi genug gehört zu haben schien, entließ sie Kawamura mit einem beiläufigen »Das reicht, du kannst gehen«, worauf er sich niedergedrückt davonschlich und Mimi zutraulich auf Nakatas Schoß sprang.
»Im Großen und Ganzen weiß ich jetzt Bescheid«, sagte sie.
»Vielen Dank«, sagte Nakata.
»Er, also Kawamura, hat die gefleckte Goma auf einem leeren, grasüberwachsenen Grundstück gesehen, das als Bauplatz geplant ist. Ein Makler hat dort das Ersatzteillager einer Automobilfirma aufgekauft und will Hochhäuser mit Luxusapartments hinbauen. Das Gelände ist zwar schon geräumt, aber der Widerstand der Anwohner ist groß, sodass ein komplizierter Rechtsstreit im Gange ist und mit dem Bau noch längst nicht begonnen werden kann. So etwas kommt in letzter Zeit öfter vor. Deshalb ist das Gras dort auch so hoch. Für gewöhnlich sind dort keine Menschen anzutreffen, und das Grundstück ist ein Tummelplatz für streunende Katzen geworden, mit denen ich kaum Umgang pflege. Ich habe Angst vor Flöhen und so weiter, deshalb meide ich den Ort. Wie Sie wissen, sind Flöhe überaus lästig, und wenn man sie einmal hat, wird man sie nicht wieder los. Wie eine schlechte Angewohnheit, nicht wahr?«
»Jawohl«, antwortete Nakata.
»Die junge hübsche Katze mit dem Flohhalsband von Ihrem Foto soll sehr schüchtern sein und nicht viel sprechen. Allen war sofort klar, dass sie eine weltfremde Hauskatze ist, die nicht mehr zurückgefunden hat.«
»Wann war das?«
»Er hat sie zuletzt vor drei, vier Tagen gesehen. Er ist zu dumm, um präzise Zeitangaben zu machen. Immerhin wusste er, dass es am Tag nach dem Regen war, also wahrscheinlich am Montag, denn ich erinnere mich genau, dass es am Sonntag geregnet hat.«
»Ja. An welchem Tag, weiß Nakata nicht, aber geregnet hat es um die Zeit. Hat er sie danach nicht mehr gesehen?«
»Das war das letzte Mal. Die anderen Katzen haben die Gefleckte angeblich seither auch nicht mehr gesehen. Sie sind unzuverlässige Herumtreiber, aber ich habe ziemlich genau nachgefragt, sodass es insgesamt kaum Zweifel gibt.«
»Nakata ist Ihnen sehr zu Dank verpflichtet.«
»Aber nein, ich bitte Sie, das war doch ganz leicht. Ich ärgere mich immer, dass ich mit diesen ungebildeten Katzen in der Nachbarschaft keine gemeinsamen Gesprächsthemen finde. Deshalb erweitere ich gern meinen Horizont, indem ich hin und wieder wie jetzt gemütlich mit einem vernünftigen Menschen plaudere.«
»Oh«, sagte Nakata. »Übrigens versteht Nakata noch immer nicht, warum Herr Kawamura so eifrig von Makrele gesprochen hat. Meint er den Fisch Makrele?«
Mimi hob anmutig die linke Vorderpfote und kicherte, während sie die rosa Innenseite betrachtete.
»Er hat ein eingeschränktes Vokabular …«
»Vokabular?«
»Er kennt nicht viele Wörter«, verbesserte sich Mimi höflich.
»Makrele ist der Inbegriff von Köstlichkeit für ihn. Er hält Makrele für das hochwertigste aller Nahrungsmittel und kennt weder Brasse, Butt noch Seriola.«
Nakata räusperte sich. »Ehrlich gesagt, ich esse auch sehr gern Makrele. Aber natürlich mag ich auch Aal.«
»Für Aal habe ich auch eine Vorliebe. Natürlich bekommt man so etwas nicht jeden Tag.«
»Jawohl, ganz genau. Sie sagen es.«
Bei der Vorstellung von Aal verfielen die beiden eine Zeit lang in nachdenkliches Schweigen.
»Dann hat er noch etwas gesagt«, fuhr Mimi fort, als sei es ihr eben erst eingefallen. »Seit sich die Katzen aus der Nachbarschaft auf dem leeren Baugrund versammeln, treibt sich dort anscheinend ein finsterer Kerl herum, der Katzen fängt. Die anderen Katzen vermuten, dass er die kleine Goma mitgenommen hat. Er lockt seine Opfer mit einem Leckerbissen an, packt sie und steckt sie in einen großen Sack. Dabei stellt er sich so geschickt an, dass ihm unbedarfte, hungrige Katzen leicht in die
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